Microsoft zählt zu den mächtigsten und wertvollsten Unternehmen der Welt und hat auch in Österreich eine Transformation vollzogen.
Beinahe jeder verwendet (vor allem) die Office-Produkte von Microsoft, doch der Konzern hat in den vergangenen Jahren eine Transformation durchgemacht. Das betraf sowohl das Produktportfolio, als auch den Abschied vom Top-Down-Management. Dabei spielte Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, in seiner Heimat und auch international eine wichtige Rolle.
Wie viele Apple-Geräte befinden sich im Microsoft Headquarter in Wien?
Hermann Erlach: Devices gibt es relativ wenig, aber iPhones haben wir viele, so 70 bis 80 Prozent. Ich habe aber noch keinen Laptop oder ein anderes Device gesehen, hier setzen unsere Mitarbeiter auf Surface. Aber bei Telefonen sind wir relativ offen. Wir befinden uns seit einigen Jahren bereits in einer Super-Partnerschaft mit Apple und haben unsere Office-Tools für die Betriebssysteme von Apple geöffnet. Es gibt eine schöne Art der Competition. Apple ist ja sehr im Consumer-Bereich und wir sind verstärkt im Enterprise-
und Unternehmensumfeld unterwegs. Das ergänzt sich eigentlich relativ gut. Aus dem Phone-Business hat sich Microsoft schon vor Jahren verabschiedet, aber unsere anderen Devices sehen wir durchaus auf Augenhöhe. Microsoft hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark in Richtung einer offenen Plattform entwickelt.
Wie sehen Sie die Position Österreichs in der digitalen Welt?
Erlach: Wir neigen immer stärker dazu, in eine Welt zu gehen, die aus Nullen und Einsen besteht und in der es dazwischen nichts gibt. Diese Diskussionen bringen uns nicht viel weiter. Genauso verhält es sich mit dem Status der Digitalisierung in Österreich und man muss das sehr differenziert sehen. Bei Microsoft wollen wir als Partner für die nachhaltige und sichere digitale Transformation Österreichs agieren und haben gerade im Jahr 2023 sehr viele Leuchtturmprojekte aus Österreich heraus geliefert, an denen man erkennt, wie sehr österreichische Unternehmen nach vorne gehen und Innovation vorantreiben. Ein schönes Beispiel wäre die Hannover Messe, wo die Kooperation mit Andritz im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinensteuerung sehr positiv aufgeschlagen ist. Wir haben eine Partnerschaft mit der AVL, wobei wir die moderne Fahrzeugentwicklung auf der Basis von KI und Cloudmodellen vorantreiben. Es gibt im Mittelstand sehr schöne Projekte und auch im öffentlichen Bereich einige, die sich vorwagen und mit anderen europäischen Ländern, etwas in der technologischen Entwicklung und vor allem bei der Adaptionsfähigkeit hinterher. Die Geschwindigkeit, mit der wir in den vergangenen Jahren Technologien wie die Cloud adaptiert haben, ist wesentlich langsamer als in anderen Kulturkreisen. Das ist einerseits ein kulturelles Thema, dass die Österreicher Innovation eher skeptisch betrachten. Es ist tatsächlich ein Skilling-Thema und die Frage, wie man ganz schnell die richtigen Skills in die Fläche bringt. Und, dass CEOs mit der Cloud-Technologie etwas anfangen können und wissen, wie moderne IT-Architekturen aussehen. Bei der Adaption spielt auch das Förderungswesen eine Rolle und es müsste intensiver überlegt werden, welche Art von Innovation und Risikobereitschaft gefördert wird. Es spielt auch das Thema Regulatorien und deren Komplexität hinein, die die Sache nicht unbedingt einfacher machen, neue Technologien sehr schnell zu adaptieren. Dennoch merken wir, dass die Nachfrage nach einer robusten digitalen Infrastruktur in Österreich stark zunimmt.
Regulatorien werden vor allem auf EU-Ebene häufig kritisiert, dass sie zu streng sind …
Erlach: Wir unterstützen alle Arten von Regulatorien, für uns steht das in keinem negativen Kontext, aber wir sind für sinnvolle Regulatorik, die Innovation nicht behindert. Wir arbeiten mit allen Behörden und der EU eng zusammen, aber das ist immer ein Spannungsfeld zwischen Innovationsgeschwindigkeit, Regulatorik und Sicherheit. Hier muss man einen richtigen Mittelweg finden.
Wie sieht es mit Investments von Microsoft in Österreich aus?
Erlach: Wir haben in Österreich einen der stärksten lokalen Footprints und investieren als Microsoft sehr viel. Wir haben unsere Datacenter rund um Wien angekündigt. Das werden die modernsten Datacenter der Welt, vor allem, was die Energieeffizienz und den CO2-Footprint betrifft. Sie verfügen über bis zu 93 Prozent weniger Energiebedarf und verursachen bis zu 98 Prozent weniger CO2-Emissionen als traditionelle Datacenter. Wir investieren in unser Partner-Ecosystem von bis zu 4.500 Partnern, die mit und von Microsoft leben, und wir haben AI-Entwickler am Standort. Wir betreiben auch Themen wie die AI-Impact-Studie und versuchen, mit unserem Ecosystem und der Initiative ‚Mach’ morgen heute möglich‘ Positives für das Land zu bewirken. Ich glaube, das Thema Digitalisierung und KI ist in Österreich, auch in der politischen Agenda, unterrepräsentiert. Deshalb werben wir sehr dafür, dass Digitalisierung und KI einen positiveren Spin erhalten und verstärkt in die politische Agenda aufgenommen werden als bisher.
Welche Aufgaben hat Österreich in Sachen KI noch vor sich?
Erlach: Eine Studie hat bewiesen, wie elementar die Themen Digitalisierung und KI für Österreich sind. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das noch mit Ängsten behaftet; insofern müssen wir Politiker und Wirtschaftstreibende viel stärker aufklären, was KI ist und was es nicht ist. Was kann man mit KI tun, was kann man bewirken? Unser größtes Thema wird es sein, wie wir angesichts der im Markt verfügbaren Ressourcen den Wohlstand aufrechterhalten, umverteilen und wettbewerbsfähig bleiben können. Wie können wir Unternehmen so aufstellen und positionieren, dass sie international wettbewerbsfähig sind? Auch hier ist die KI ein enormer Hebel.
Mit OpenAI bzw. ChatGPT hat Microsoft den Hype um generative KI vor zwei Jahren ausgelöst. Ist die Aufregung darüber eher Hysterie oder wird der Digitale Humanismus siegen?
Erlach: Mir gefällt der Titel Digitaler Humanismus, denn wir supporten die Tatsache, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen soll und nicht die Technologie. Deshalb haben wir unser System auch Co-Pilot genannt und nicht Autopilot. Der Mensch steht im Mittelpunkt, und das System assistiert. Ich bin über die Entwicklung des KI-Themas ein bisschen traurig, denn die KI, wie sie diskutiert wird, gibt es so nicht. Das ist ein Werkzeugkasten und darin liegen verschiedenste Tools mit unterschiedlichen Anwendungsszenarien und auch unterschiedlichen Gefährdungslagen. Ich denke, dass eine generische Diskussion, ob KI gut ist oder schlecht, uns nicht weiterbringt. Wir brauchen eine Technologieoffenheit, die auch das Thema Regulierung ernst nimmt und auf den konkreten Anwendungsfall schaut, wie etwa in der Supply Chain oder der Logistik. Und erst danach führe ich die Diskussion, was der Mehrwert und der Impact sind und wie ich sie absichern kann. Hier spielen die Medien eine große Rolle, auch diese positiven Geschichten über KI zu erzählen. Wenn jemand meint, es sei ein Hype, dann hat er das Thema nicht verstanden. Wir stehen vor einer ganz neuen Situation. Computer und das Internet sind über Jahrzehnte von Universitäten, über das Militär gewachsen, und bis die Leitungen gebaut wurden, dauerte es noch einmal zehn Jahre. Erst dann kam die Technologie beim Consumer an. Heute ist das fundamental anders. Die Technologie wurde weltweit in einem Aufschlag über ChatGPT gelauncht. Durch die Verfügbarkeit von Daten, durch die Rechenleistung in der Cloud und die Verfügbarkeit von generischen AI-Modellen besteht die Möglichkeit, komplexeste Rechenoperationen und komplexeste AI-Projekte von meinem Wohnzimmer aus zu machen. Egal, ob ich ein Großunternehmen bin, ein Start-up, ein Forscher oder ein Einzelunternehmen. Das war noch nie zuvor der Fall. Die Demokratisierung der IT hat es in dieser Form noch nie gegeben. Heute kann ich Forschungsprozesse, die früher Jahrzehnte gedauert haben, über Daten, KI und Rechenleistung plötzlich in wenigen Monate komprimieren. Hier kommen Dinge zusammen, über die wir seit Jahrzehnten sprechen. Big Data ist auf einmal relativ einfach möglich. Und die Modelle, nicht nur die von Microsoft, sind öffentlich zugänglich. Wir haben in Österreich durch den Einsatz von KI die Möglichkeit, ein Wachstum des BIP von bis zu 18 Prozent zu generieren, besagt eine gemeinsame Studie von Microsoft mit Accenture im Auftrag von Economica.
Mit Copilot+ PC gibt es seit Mai eine Hardware, die auf KI abgestimmt ist. War das der logische Schritt?
Erlach: Grundsätzlich verfolgt Microsoft die Philosophie, dass wir Software und Hardware integrieren und für jeden zugänglich machen möchten. Nachdem die Geräte vorgestellt wurden, hat jeder auf die Co-Pilot-Taste auf der Tastatur geschaut, da das die erste Änderung des Keyboards seit Jahrzehnten war. Es geht dabei um energieeffiziente PCs und die Integration einer AI-Funktionalität. Und darum, die Hardware möglichst auf die AI-Welt auszurichten und damit lokalere Large Language-Modelle laufen zu lassen, die einen geringeren Energiebedarf haben. In diese Richtung forschen und entwickeln wir auch die Hardware weiter.
Wie sieht es mit Nachhaltigkeit und dem Energiesparen im Allgemeinen bei Microsoft aus?
Erlach: Das ist für uns ein Top-Thema. Wir bauen unser Netzwerk von weltweiten Rechenzentren auf und wollen bis zum Jahr 2030 CO2-neutral sein. Das mit Rechenzentren zu erreichen, bedarf einer riesigen Anstrengung. Wir entwickeln leistungsfähigere Prozessoren und die Rechenzentren-Technologie weiter, wir forschen an neuen Kabeln und Large Language-Modellen, die weniger Energie konsumieren und auch kleiner sind. So versuchen wir, unseren Energie-Footprint zu reduzieren. Dabei ist klar, dass wir Cloud- und KI-Technologie brauchen, um auch das Land Österreich selbst zu einem nachhaltigen Wirtschaftsstandort zu transformieren. Wir haben hierzulande bereits sehr schöne Projekte, bei denen wir KI einsetzen, um Energie besser zu managen. Im Photovoltaikbereich arbeiten wir etwa mit Wien Energie zusammen, mit Billa/Rewe am Supermarkt der Zukunft, der weniger Energie verbraucht. Gerade bei der Energieoptimierung gibt es mit KI unendliche Anwendungsszenarien. CO2-Vermeidung und Sustainability ist hoch auf unserer Agenda, auch bei den Devices.
Wie hat sich der Microsoft Skills Campus entwickelt, wie ist der Stand?
Erlach: Sehr gut. Skilling ist ein leicht vermittelbares Thema, und es ist notwendig, Menschen mit Informationen zu den Themen Digitalisierung und Cloud zu versorgen. Seit der Gründung des Cloud-Campus ist viel passiert. Wir haben 120.000 Österreicher bisher im Skills Campus qualifiziert, haben eine Menge an Kooperationen aus dem Programm ‚Mach’ morgen heute möglich‘, unserer Digitalisierungsinitiative, bei der mehr als 250 Organisationen mit dabei sind, und wir arbeiten verstärkt mit der ‚Digitalisierungsinitiative Österreich‘, mit Fachhochschulen und Universitäten zusammen. Der Education-Bereich ist eine Herzensangelegenheit von Microsoft. Dabei erlernt man den Umgang mit digitalen Systemen, was eine Cloud ist, wir besprechen Security-Themen, Dos & Don’ts im Umgang mit digitalem Content. Jetzt kam natürlich auch dazu, was KI ist und der Versuch, aufzuklären, was sie tun kann, wo die Chancen und mögliche Gefahren liegen.
Was ist für Sie das Spannende, für Microsoft zu arbeiten?
Erlach: Als ich gefragt wurde, für Microsoft zu arbeiten und eine Leadership-Funktion zu übernehmen, war meine erste Reaktion ‚Nein‘, da für mich die Produkte industrieagnostisch und sehr technisch waren. Die Unternehmenskultur damals, vor neun Jahren, war noch eine andere, sehr hierarchisch und Top-Down. Für ein solches Unternehmen wollte ich nicht arbeiten. Wir haben dann diskutiert, wie sich Microsoft verändern soll, wie die Transformation in die Cloud, in Richtung Industrieszenarien und zur Plattformöffnung aussehen kann. Die Challenge, in einem Unternehmen mitzuarbeiten, das sich neu erfindet, der Umbau von Microsoft und die Ansage damals, dass sich die Cloud im großen Stil in Zukunft nur bei drei Technologieunternehmen abspielen wird, hat mich total fasziniert.
Ein Leben ohne Microsoft-Produkte wäre…
Erlach: …möglich, aber weniger effizient.