Astrid Steharnig-Staudinger leitet seit Mai 2023 die Österreich Werbung und ist die oberste Gestalterin von Österreichs Tourismus-Visitenkarte.
Mehrsprachigkeit – fünf Sprachen sind es insgesamt – ist nur eine der Qualifikationen, die Astrid Steharnig-Staudinger für einen der wichtigsten Jobs des Landes mitbrachte. Immerhin ist die 45jährige Kärtnerin mit Wohnsitz Wien verantwortlich für das Image und den Werbeauftritt, die Touristen von Urlaub in Österreich überzeugen sollen. Davor war die Mutter zweier Kinder unter anderem bei WienTourismus, der Falkensteiner-Gruppe und in ihrem eigenen Unternehmen „Linking Brands“ erfolgreich tätig. Steharnig-Staudinger erlaubt Einblicke in ihre Philosophie, wie sie die Zukunft des Tourismus einschätzt und gestalten will.
Fachkräftemangel, Klimawandel, Inflation – hätten Sie sich ein ruhigeres Fahrwasser zu Ihrem Amtsantritt gewünscht oder brauchen Sie die Herausforderung?
Astrid Steharnig-Staudinger: Die von Ihnen beschriebene Situation ist nicht erst heuer aufgetreten. Tourismus lebt von Veränderungen und von Herausforderungen. Die Branche zeichnet sich dadurch aus, sich darauf einstellen zu können und sich neu zu erfinden. Dadurch entstehen auch Innovationen. Das haben wir auch während der Coronapandemie gesehen. Und ja, ich bin begeisterte Österreich-Werberin und freue mich auf diese schöne Aufgabe und die Herausforderung; ansonsten hätte ich vor 15 Jahren nicht den Weg in die Selbstständigkeit gewagt. Ich habe an mich geglaubt und ich war erfolgreich. Und mit dieser Sichtweise gehe ich auch die Geschäftsführung der Österreich Werbung an.
Weshalb hat Sie der Job als Chefin der Österreich Werbung gereizt?
Steharnig-Staudinger: Was gibt es Schöneres, als die eigene Heimat zu vermarkten? In diesem Job kann man so viel bewegen. Gemeinsam mit der gesamten Branche kann man das Bild des Tourismusstandorts Österreich im Ausland prägen, Menschen für dieses großartige Land begeistern. Ich denke, es ist notwendig, die ganze Vielfalt Österreichs vor den Vorhang zu holen. Denn es gibt so viele unterschiedliche Zielgruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen in den verschiedenen Märkten, die wir bearbeiten. Mit zeitgemäßer Kommunikation den Tourismus in Österreich auf seinem Erfolgsweg zu unterstützen, ist eine großartige Aufgabe, die mich sehr reizt.
Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler bezeichnete Sie als strategische Vordenkerin. Würden Sie das unterschreiben und wenn ja, was sind hier Ihre Stärken?
Steharnig-Staudinger: Ich bin eine Visionärin mit weiser Voraussicht und blicke stets über den Tellerrand. Ich bin überzeugt, dass in der heutigen Arbeitswelt und gerade im Tourismus drei Aspekte wesentliche Bedeutung haben: Anpassungsfähigkeit, ein offenes Mindset und Empathie. Das sind drei Eigenschaften, die ich mir in aller Bescheidenheit zuschreiben würde. Und ich bin eine gute Brückenbauerin. Unser Alltag wird immer technologisierter, die Veränderungen passieren inzwischen im Wochentakt. Deshalb ist es wichtig, sich die Fähigkeit zu bewahren, Veränderungen nicht als eine Bedrohung wahrzunehmen, sondern sie in seinen Alltag zu integrieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Daneben ist es vor allem für unsere Branche zentral, das Menschliche in den Vordergrund zu stellen. Technologische Neuerungen mögen uns effizienter machen, aber das persönliche Erlebnis, das Gespräch mit dem Gastgeber oder der Schmäh vom sympathischen Service-Mitarbeiter, das lässt sich nicht maschinell ersetzen. Diese Herausforderungen und die teilweisen Widersprüche werden wir als Branche nur gemeinsam navigieren können.
Mit Ihrem Unternehmen Linking Brands haben Sie den Networking- und Kooperationsgedanken gelebt. Können Sie das nun auch bei der ÖW nutzen?
Steharnig-Staudinger: Ich habe mit meinem Unternehmen sehr unterschiedliche Akteure zusammengebracht, die auf dem ersten Blick wenig miteinander zu tun hatten, zum Beispiel einen namhaften Autohersteller mit einer Tiroler Tourismusregion. Daraus sind sehr erfolgreiche Kooperationen entstanden. Diesen Gedanken möchte ich weitertragen. Denn nur durch die gemeinsame Nutzung unserer Stärken ist es möglich, das Beste für den Tourismusstandort herauszuholen. Ich möchte eine Kooperationskultur etablieren, nur so sind wir wettbewerbsfähig. Wir als ÖW können als Plattform und Katalysator fungieren, Landestourismusorganisationen, Tourismusverbände und Betriebe können ihre individuellen Stärken dort einsetzen, wo es am effektivsten ist. Daneben gibt es zahlreiche Projekte im Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsbereich, wo wir nicht nebeneinander, sondern miteinander arbeiten müssen. Auch dort muss Kooperation das Gebot der Stunde sein, um den Tourismusstandort an die Weltspitze zu bringen.
Einer der aktuellen Trends ist der Radtourismus. Gibt es hier eine landesweite Strategie oder ist das Aufgabe der regionalen Tourismusbüros?
Steharnig-Staudinger: Die Österreich Werbung hat heuer zum fünften Mal die ‚Themenkooperation Rad‘ lanciert. Hier arbeiten wir gemeinsam mit den Landes-tourismusorganisationen, heuer zum ersten Mal mit acht von ihnen, an der Gestaltung und Umsetzung der Kampagnen. Die Radexperten der Bundesländer bringen dabei ihr Wissen aus der alltäglichen Praxis ein, was ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Heuer haben wir erstmals den Trendsport Gravel-Biking aufgegriffen, der bereits eine große und wachsende Community hinter sich vereint. Gemeinsam mit den Landestourismusorganisationen wurde eine österreichweite Gravel-Tour unter dem Namen ‚Gravel Austria‘ gestaltet, die auf einer eigenen Landingpage vorgestellt wird. Das ist ein Beispiel dafür, wie wir uns mit den aktuellen Trends beschäftigen und diese in Kampagnen integrieren, vor allem aber auch weiterentwickeln.
Die Österreich Werbung nutzt seit einigen Monaten auch Künstliche Intelligenz. Wie wird KI eingesetzt bzw. was kann der KI-basierte ÖW-Chatbot?
Steharnig-Staudinger: Der ‚Österreich Concierge‘ auf unserer B2C-Website soll potenziellen Gästen als Inspirationsquelle für ihren Österreich-Urlaub dienen. Er beantwortet die gängigsten Fragen rund um Urlaub in Österreich und greift dabei auf die Inhalte unserer B2C-Website zurück, erweitert durch generative KI-Dienste. Das ist das eine. Andererseits hilft er auch uns, zu lernen – nämlich von den Fragen unserer Gäste. Dadurch erkennen wir, was den Gästen wichtig ist und was potenzielle Trends sein könnten. Der Chatbot befindet sich aktuell noch in der Entwicklungsphase, aber es ist wirklich beeindruckend, wie gut das jetzt schon funktioniert.
Viele Zielmärkte sind in Übersee. Sehen Sie hier Probleme aufgrund des ‚Flight-Shamings‘ und der steigenden Energiekosten?
Steharnig-Staudinger: Grundsätzlich reisen ca. zehn Prozent unserer Gäste mit dem Flugzeug an. Die zuletzt gestiegenen Flugpreise haben noch zu keinem sichtbaren Effekt geführt. Die zahlungskräftige Zielgruppe, die etwa aus den USA oder Asien mit dem Flugzeug anreist, leistet sich Urlaub weiterhin. Das ist derselbe Effekt, den wir auch in unseren Nahmärkten sehen: Reisen ist ein hohes Gut, den man sich auch in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld nicht nehmen lassen möchte. Was den Nachhaltigkeitsgedanken angeht: Da tut sich in der Luftfahrtindustrie sehr viel. Flugzeuge verbrauchen weniger Treibstoff, und der beginnende Einsatz von sogenannten Sustainable Aviation Fuels, die CO2-neutrales Fliegen ermöglichen sollen, führen insgesamt zu weniger Energieverbrauch im Flugverkehr. Abgesehen davon ist unser Auftrag als ÖW, das Tourismusland Österreich weltweit zu vermarkten. Das ist für die Wertschöpfung in Österreich sehr wichtig. Und da müssen wir natürlich auch dafür Sorge tragen, dass es ein nachhaltiges Angebot in Österreich gibt.
Wie schätzen Sie die Zukunft des Kongresstourismus ein, da vieles mittlerweile als Online- bzw. hybride Veranstaltung stattfindet?
Steharnig-Staudinger: Aus unserem im Juni gemeinsam mit dem Austrian Convention Bureau herausgegebenen Meeting Industry Report Austria (mira) wissen wir, dass wir im vergangenen Jahr fast wieder die Vor-Corona-Zahlen erreicht haben, was Veranstaltungen und Kongresse anbelangt. Der Kongresstourismus hat sich als widerstandsfähig und innovativ erwiesen. Onlineveranstaltungen bzw. hybride Events haben uns während der Coronapandemie natürlich gezeigt, was möglich ist, wie effizient wir sein können, und davon werden sicherlich zahlreiche Aspekte auch bleiben. Ich gehe aber davon aus, dass bei Veranstaltungen, bei denen der intensive Austausch innerhalb der Branche, das Netzwerken und auch der Entertainment-Faktor im Vordergrund stehen – sozusagen der menschliche Aspekt –, ein physisches Zusammentreffen nicht ersetzt werden kann. Deshalb glaube ich, dass der Kongresstourismus eine große Zukunft vor sich hat, wenn auch anders als vor der Pandemie. Wir arbeiten auch gerade gemeinsam mit den Ländern und dem ACB an einer Convention-Strategie für die Zukunft.
Muss sich der Wintertourismus neu aufstellen, neu erfinden? Wo sehen Sie hier die Potenziale?
Steharnig-Staudinger: Die Auswirkungen des Klimawandels sind spür- und sichtbar. Aber was den Wintersporttourismus generell anbelangt, deckt sich die öffentliche Wahrnehmung nicht unbedingt mit den Fakten. In den Worst-Case-Szenarien rechnet man bis zum Jahr 2050 mit einer Erwärmung der Bergwinter um 1,4 Grad Celsius. Dies entspricht einem Anstieg der Schneegrenze um ca. 200 Meter – der Wintersport ist damit für die nächsten Jahrzehnte in den meisten klassischen Skigebieten gesichert. Dazu kommt, dass ca. 70 Prozent der österreichischen Skipisten technisch beschneit werden können. Einige niedriggelegene Skigebiete werden sich in den nächsten Jahrzehnten Alternativen überlegen müssen. Hier braucht es eine gemeinsame Anstrengung der gesamten Branche und Anreizsysteme, damit der potenzielle Wertschöpfungsverlust, der ohne den klassischen Wintersporttourismus droht, durch alternative Angebote aufgefangen werden kann. Dazu zählen zum Beispiel Wanderungen oder Mountainbiking. Es gibt bereits erste Regionen, die tolle Alternativangebote bieten.
Wie kann Österreich ein leistbares Urlaubsland bleiben?
Steharnig-Staudinger: Die Inflation der vergangenen Monate betrifft nicht nur Österreich, sondern auch andere Länder. Österreich ist im internationalen Vergleich nach wie vor ein Urlaubsland mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis – es gibt für jede Geldbörse ein Angebot, es gibt Unterkünfte für jeden Bedarf. Unser Tourismusland ist nicht nur, was die Landschaft anbelangt, facettenreich.
Die besten drei Gründe für einen Urlaub in Österreich sind …
Steharnig-Staudinger: … die Landschaft, die Menschen und das Lebensgefühl.
Wo und in welcher Saison machen Sie gerne Urlaub in Österreich und wohin wird Sie der nächste Winterurlaub führen?
Steharnig-Staudinger: Grundsätzlich bin ich zu jeder Jahreszeit gern in Österreich unterwegs. Das hat auch etwas damit zu tun, dass ich regelmäßig auf Heimaturlaub in Kärnten bin und die Familie meines Mannes in Tirol besuche. Damit deckt man schon mal einen großen Teil Österreichs ab, da man ja auch Zwischenstopps in den anderen Bundesländern macht. Der Winterurlaub führt uns nach Tirol und ins Salzburger Land. Ich bin eine begeisterte Skifahrerin und stoppe sicher in allen Bundesländern, wo Skifahren möglich ist.