Der Orden der Barmherzigen Brüder betreibt die unterschiedlichsten medizinischen Einrichtungen mit modernster Technik.
Der Orden der Barmherzigen Brüder betreibt auf allen Kontinenten rund 400 Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen. Im Sinne der Hospitalität sorgen 981 Ordensbrüder gemeinsam mit rund 64.000 hauptamtlichen und etwa 29.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern für kranke und alte Menschen, Menschen mit Behinderungen, Sterbende, Drogenkranke, Obdachlose und Kinder, die Hilfe brauchen. Die Barmherzigen Brüder Österreich (mit Standorten auch in der Slowakei, Tschechien und Ungarn) arbeiten mit fast 9.400 Mitarbeitern im Geiste des Ordensgründers Johannes von Gott (1495-1550), zusammen. Ohne Ansehen der Person, der Herkunft, der Nation, der Religion, des Geschlechts oder des sozialen Status wollen die Barmherzigen Brüder für alle Hilfesuchenden da sein und Menschen unterstützen. Ein Gespräch mit Direktor Adolf Inzinger.
Die Barmherzigen Brüder bestehen als katholische Ordensgemeinschaft seit mehr als 450 Jahren. Was bedeutet dieses historische Erbe für Sie und wie gehen Sie im Alltag damit um?
Adolf Inzinger: Schon bald nach dem Tod unseres Ordensgründers trugen die ersten Brüder die Hospitalität, die christliche Gastfreundschaft, in alle Kontinente – ausgehend von der Iberischen Halbinsel nach Südeuropa und durch die Seefahrer Spaniens und Portugals sehr bald auch nach Südamerika. 1605 wurde in Feldsberg/ Valtice im heutigen Tschechien das erste Brüderkrankenhaus nördlich der Alpen gegründet, und bald entstand in Mittel- und Nordeuropa ein dichtes Netz an Niederlassungen, das sich in seiner Blütezeit vom Baltikum bis nach Norditalien und von Westfalen bis ins Banat erstreckte. Die angebotenen Leistungen wurden immer wieder dem medizinischen und pflegerischen Fortschritt angepasst, sodass die Ordenswerke heute zu den fortschrittlichsten in Europa zählen. Auf der Basis all des Guten der Vergangenheit können wir heute die Einrichtungen in eine gute Zukunft führen.
Wie würden Sie die Barmherzigen Brüder charakterisieren?
Inzinger: Ich denke, folgende zwei Formulierungen treffen es – mutig und innovativ helfen, wo wir gebraucht werden, und die Tradition weiterentwickeln und lebendig in die Zukunft tragen.
Wie gehen Sie mit dem Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich um?
Inzinger: Mehr Menschen für die Pflege zu gewinnen, ist eines der wichtigsten Ziele der österreichischen Gesundheitspolitik. Die Barmherzigen Brüder engagieren sich seit Jahrhunderten in der Ausbildung. Aktuell wird in den Einrichtungen in Kainbach und Kritzendorf Quereinsteigern die berufsbegleitende Ausbildung zur Pflegeassistenz ermöglicht. Auch unser Krankenhaus in Linz hat in Kooperation mit dem BFI ein ähnliches Modell gestartet. Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt wiederum fördert seit vielen Jahren die Hebammenausbildung. Das Elisabethinen-Krankenhaus in Klagenfurt und das Brüderkrankenhaus Wien kooperieren mit regionalen Fachhochschulen und ermöglichen es Studierenden, in mehrwöchigen Lernstationen Erfahrungen zu sammeln. Seit fast 40 Jahren arbeitet die Österreichische Ordensprovinz mit der Indischen Provinz in der Ausbildung von Pflegepersonen zusammen. Kamen in den ersten Jahrzehnten Ordensangehörige nach Österreich zur Ausbildung, so werden künftig akademisch ausgebildete Pflegekräfte aus Indien nach Österreich kommen, um in unseren Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu arbeiten.
Welche Erfahrungen machen Sie als Arbeitgeber mit dem Zuzug ausländischer Arbeitskräfte?
Inzinger: Eine der größten Hürden, um in Österreich arbeiten zu können, ist neben dem Erlernen der deutschen Sprache das Verfahren zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen, die Nostrifizierung, die Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung und für Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sowie der gehobenen medizinisch-technischen Dienste die Eintragung in das Gesundheitsberuferegister. Wir befinden uns hier in einem sehr kompetitiven Umfeld in einem wichtigen Segment des Arbeitsmarkts für Gesundheitsberufe. Wichtig wäre, dass die sicherlich auch notwendigen Verfahren zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis in Österreich im Sinne eines ‚One-stop-shops‘ gestrafft und vereinfacht werden.
Ist es schwierig, in einem multikulturellen Umfeld zu arbeiten?
Inzinger: Wie bereits erwähnt, ist die Beherrschung der deutschen Sprache unabdingbar, und ja, es gibt klarerweise auch Unterschiede in Kultur und Mentalität. Was uns aber eint, ist auch hier wiederum das Vorbild des Ordensstifters. Er lebte in einer Zeit der Vertreibung der Mauren von der Iberischen Halbinsel und von Pogromen an Juden. Und was machte er? Unter dem Torbogen des Hauses einer befreundeten maurischen Familie, heute würde man sagen in der Hauseinfahrt, begann er notleidende Menschen zu betreuen. Für ihn stand der Hilfe suchende Mensch im Vordergrund, nicht seine Herkunft, sein sozialer Status oder seine Religion.
Wie hat sich das Gesundheitssystem aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahrzehnten geändert? Was sind die ‚großen Trends‘?
Inzinger: Die Bereiche Kooperation, Interdisziplinarität und Digitalisierung möchte ich hervorheben. Die vergangenen zwei Jahrzehnte waren wie nie zuvor von neuartigen Kooperationen im Gesundheitswesen geprägt. Die Errichtung des Dialysezentrums Wien- Donaustadt als Kooperationsprojekt des Wiener Konvents der Barmherzigen Brüder mit der Gesundheitskasse Österreich und dem Wiener Gesundheitsverbund, die ebenfalls trägerübergreifende Zusammenarbeit im Elisabeth- Hospiz in Linz und Ried im Innkreis, die Gründung eines Laborverbunds in Graz, die Kooperation mit dem Krankenhaus der Elisabethinen in Klagenfurt oder die Eröffnung von externen, dislozierten Ambulanzen wie in Zeltweg oder im slowakischen Dunajská Lužná und Pezinok sind Projekte von bisher nicht gekannter Qualität.
Wie verändert die Digitalisierung den Alltag einer Gesundheitseinrichtung?
Inzinger: Die Coronapandemie gilt als Treiber der Digitalisierung. Der Online-Handel boomt, Videokonferenzen reduzieren Dienstreisen, Behördengänge werden zunehmend digital und von zu Hause aus erledigt. In den österreichischen Einrichtungen der Barmherzigen Brüder hat die Digitalisierung aber schon vor mehr als 20 Jahren Einzug gehalten. Die Initialzündung war die Einführung der digitalen Pflegedokumentation im Jahr 2002. Kontinuierlich wurden neue Softwaremodule eingeführt. Und seit 2017 gibt es die komplett papierlose, multimediale und digitale Patientendokumentation.
Was anfangs nur eine Vision gewesen ist, ist heute Realität und nicht mehr wegzudenken. In allen Krankenhäusern, Alten- und Pflegeeinrichtungen der Barmherzigen Brüder Österreich existiert die vollständig papierlose, multimediale digitale Patientendokumentation. Krankengeschichten liegen inklusive Fieberkurve, Pflegedokumentation, Medikationsdaten, Bildern und Befundergebnissen von medizinischen Geräten, von Patienten mitgebrachten Befunden und vielem mehr in einer einzigen Oberfläche für Medizin, Pflege und therapeutische Dienste vor. Mit diesem interdisziplinären und in der Gesamtheit wohl einzigartigen Projekt setzen die Barmherzigen Brüder einen Meilenstein für die optimale Patientenversorgung im deutschsprachigen Raum.
Spielt Künstliche Intelligenz auch eine Rolle im Gesundheitswesen?
Inzinger: Diese rückt derzeit immer mehr in den Vordergrund. Das liegt vor allem daran, dass im Gesundheitswesen viele Daten anfallen, die mit herkömmlichen Mitteln nur schwer ausgewertet werden können. Im Linzer Krankenhaus haben wir zum Beispiel als erste in Österreich einen Computertomografen, dessen Software nach der Untersuchung des Gehirns die Daten mittels Künstlicher Intelligenz analysiert und so Schlaganfälle erkennen kann. Die Auswertung von Gesundheitsdaten mittels KI kann dem Gesundheitssystem in Zukunft sicher helfen, bestimmte Ereignisse früher zu erkennen und darauf zu reagieren oder aus der Fülle der österreichweiten Daten neue, gesundheitspolitisch relevante Erkenntnisse zu gewinnen. Es ist mir aber sehr wichtig, zu betonen, dass alle Daten nur unter strikter Einhaltung des Datenschutzes verwendet werden dürfen, und dass im patientennahen Bereich KI-gestützte Erkenntnisse oder Empfehlungen nochmals von einer dazu befugten und qualifizierten Person validiert werden müssen.
Wie ist es gelungen, dieses Projekt in den Einrichtungen reibungslos umzusetzen?
Inzinger: Die von Anfang an hohe Akzeptanz der digitalen Dokumentation beruht vor allem auf der Einbindung der Mitarbeitenden in die kontinuierliche Weiterentwicklung der einzelnen Softwareprodukte, um Lösungen aus der Praxis für die Praxis zu schaffen.
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit in Krankenhäusern, die sehr viel Energie und Wasser verbrauchen?
Inzinger: Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind wichtige Grundanliegen der Barmherzigen Brüder. So heißt es bereits in einem Text des Ordens aus dem Jahr 2000, dass wir ,Strategien entwickeln müssen, die einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Umwelt fördern, die uns gemeinsam ist und uns nur zur Verwaltung anvertraut ist‘. Das Umweltmanagement der Barmherzigen Brüder erstreckt sich daher auf alle Bereiche der Einrichtungen und reicht vom Einkauf regionaler Lebensmittel bis zur Altstoffsammlung und Photovoltaikanlage. Klimaschutz ist also nahezu überall möglich, auch in einem Operationssaal, wo wir seit Kurzem auch die Narkosegase recyceln. Eine zentrale Einkaufsabteilung ist neben unseren Mitarbeitern eine Schlüsselposition im Umweltschutz. Mit dem Zentraleinkauf wurde ein Beschaffungskatalog zum nachhaltigen Einkauf von medizinischen und pflegerischen Verbrauchsmaterialien entwickelt und an allen Standorten eingeführt.
Was fasziniert Sie persönlich am Orden der Barmherzigen Brüder?
Inzinger: Dass die Einrichtungen der Barmherzigen Brüder Orte der Hoffnung sind. Hospitalität, christliche Gastfreundschaft, das ist der Grundauftrag der Barmherzigen Brüder. Dazu gehört seit jeher, dass sich die Brüder neben der Pflege und Behandlung kranker Menschen auch für jene einsetzen, die am Rande der Gesellschaft stehen oder für deren Leid und Not sich sonst niemand zuständig fühlt. Nach diesem Prinzip leben und arbeiten Brüder und Mitarbeitende an vielen Orten der Welt. Ich denke zum Beispiel an die Brüder in Madang (Papua-Neuguinea), die sich mit speziellen Programmen im sozialen Bereich engagieren, oder an das Zentrum ‚Herberge des hl. Johannes von Gott‘ in Quito (Ecuador), das sich um Obdachlose und psychisch kranke Erwachsene ohne Angehörige kümmert. Seit über einem Jahr sorgen die Brüder in Drohobycz in der Ukraine für die Menschen in der Umgebung ihres Klosters und versorgen Binnenflüchtlinge. Diese Liste ließe sich noch um viele Orte erweitern, wie Batibo (Kamerun), Tanguieta (Burkina Faso) oder Nampula (Mosambik), wo Bürgerkrieg herrscht und dschihadistische Gruppen aktiv sind.
Die Brüder und Mitarbeitenden bleiben bewusst an diesen Orten und versuchen, die Gesundheitsversorgung oder die soziale Betreuung der lokalen Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Sie entscheiden sich dafür, an der Seite der Bevölkerung zu bleiben und riskieren für andere Menschen – wie etwa beim letzten Ausbruch von Ebola in Westafrika – ihre eigene Gesundheit oder sogar ihr Leben. Für mich ist es immer wieder bewegend, zu erleben, wie sich die Mitarbeitenden in Österreich für diese Ordenseinrichtungen solidarisch einsetzen. Spendensammlungen, Informationsveranstaltungen oder Flohmärkte werden organisiert, um kranken und hilfsbedürftigen Menschen in anderen Teilen der Welt zu helfen.