Die Payer Group ist in diversen Geschäftsbereichen ein internationaler Player – von Medizinprodukten bis zu Consumer Healthcare.
Den weltbesten Herrenrasierer wollte Eduard Payer entwickeln, als er 1946 das Unternehmen gründete. Heute liefert die Payer Group mit Standorten in Europa und Asien ein breites und vielfältiges Spektrum an hochwertigen Produkten und Dienstleistungen in die ganze Welt. Bereits von 1995 bis 2006 war Michael Viet für die Payer Group in leitenden Funktionen tätig. Nach einem Exkurs in die Bergbauindustrie kehrte er im Jahr 2019 als CEO in die Steiermark zurück und gibt einen Überblick über den Konzern mit seinen vielfältigen Tätigkeitsbereichen.
Wie arbeitet es sich in einem Schloss?
Michael Viet: Für mich ist es ein Privileg, an so einem schönen Standort in der Weststeiermark zu arbeiten. Natürlich hat es auch Charme, dabei in einem Schloss sitzen zu dürfen. Auch unsere Mitarbeiter sind stolz, bei so einem schönen Standort tätig zu sein. Des Weiteren bekommen wir auch außerhalb des Unternehmens von Kunden und Gästen, die bei uns zu Besuch sind, die Rückmeldung, dass sie vom Standort mit dem Schloss in der schönen Hügellandschaft in Kombination mit modernster Technologie und einer modernen Infrastruktur beeindruckt sind. Der Hauptsitz von Payer ist bis heute das Buschenschlössl Sonneck, westlich von Graz. Die Geschichte des Schlosses lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. 1951 kaufte Eduard Payer das Buschenschlössl und machte es 1952 zum Hauptsitz der Payer Group.
Sie kommen aus dem Management der Bergbauindustrie. Gibt es Parallelen zur Medizintechnik?
Viet: Das sind zwei sehr unterschiedliche Industrien. Ein Bereich, der in beiden sehr wichtig ist und getrieben werden muss, ist die Innovation. Auch bei Payer arbeiten wir mit Weltmarktführern zusammen, weshalb wir uns, als strategischer Partner, ständig weiterentwickeln und unseren Fokus auf Technologie und Innovation legen müssen, um die Anforderungen unserer Kunden nicht nur zu erfüllen, sondern auch zu übertreffen. Eine weitere Parallele sehe ich im Bereich der Mitarbeiter. Sie sind unsere wichtigste Ressource – jede und jeder einzelne trägt zum nachhaltigen Erfolg des Unternehmens bei. Daher ist es von großer Bedeutung, die besten Köpfe zu bekommen und sie zu fördern sowie weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übertragen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Damit kann man viele Jahre zusammenarbeiten, voneinander lernen und gemeinsam wachsen.
Weshalb kam es bei der Payer Group in den vergangenen Jahren zur Fokussierung auf Produkte für die Medizintechnik?
Viet: Ursprünglich haben wir im Bereich der elektrischen Herrenrasierer gestartet und Schritt für Schritt unser Portfolio im Personal Care-Bereich, etwa mit Damenrasierern oder Epilatoren, ausgebaut. Mit unseren vorhandenen Kompetenzen und unserer jahrzehntelangen Erfahrung im Bereich der Consumer Goods haben wir vor mehr als zehn Jahren in der Medizintechnik einen potenziellen neuen Markt und strategisch wichtigen Schritt gesehen. Seither haben wir unseren Fokus am österreichischen Hauptsitz, dem Technologie- und Innovationszentrum der Payer Group, auf die Medizintechnik gelegt und unsere Infrastruktur sehr stark danach ausgerichtet.
Über welche Medizinprodukte sprechen wir hier?
Viet: Wir sind in den Märkten Diagnostik (PCR -Analyse, Blut-Gas-Analyse, Thrombozyten- Analyse), Patientenunterstützung (respiratorische Systeme, Patienten-Monitoring), Chirurgie (Laparoskopie) sowie Consumer Health (Mother & Child Care, Oral Care) tätig.
In allen Bereichen produzieren wir, je nach Projektanforderung, entweder Geräte, Module oder auch Komponenten (Consumables bzw. Mikrofluidik). Mit unserer langjährigen, hochentwickelten Erfahrung haben wir uns als einer der wichtigsten Anbieter für hochkomplexe und prozesssichere medizinische Fluidik und Consumables etabliert. Von schnellen Prototypen und Kleinserien mit Scale-up-Möglichkeit bis hin zur automatisierten Großserienproduktion setzen wir unser Know-how im Ein- und Mehrkomponentenspritzguss, in der Kombination verschiedener Materialien und Technologien für ein exzellentes Produkt in mehr als 20 Millionen produzierten Consumables pro Jahr ein. Darüber hinaus nutzen wir unsere Erfahrung und unser Fachwissen für fluidische Teile mit einem extrem geringen Volumen an Flüssigkeiten wie Blut, Plasma und anderen Körperflüssigkeiten, gepaart mit einer optimierten Strömungsdynamik.
Auf Ihrer Website wird direkt die ‚unglaublich große Bandbreite der Produkte‘, die Sie entwickeln und herstellen, angesprochen. Können Sie einen Überblick über die wichtigsten Produkte in der Entwicklung geben?
Viet: Wir sind zum einen im Bereich Healthcare und Medical, vor allem an unserem steirischen Hauptsitz, und zum anderen im Geschäftsbereich Consumer Goods tätig. Consumer Goods ist ein sehr breiter Bereich, weshalb wir uns auf die nachher folgenden Kategorien konzentrieren. Dabei konnten wir unzählige Projekte mit namhaften Unternehmen, darunter Weltmarktführer, abwickeln, mit denen wir bereits seit Jahrzehnten strategische Partnerschaften in den unterschiedlichen Bereichen pflegen. Dazu zählen Shaving, Grooming, Epilating & Styling wie Haar- oder Bartschneider, Beauty Care (z.B. Gesichtsbürsten), Household Appliances wie Reinigungsgeräte und Lifestyle Products, wie Produkte für den Outdoor-Sport.
Was sind Ihre Top-Seller?
Viet: Grooming & Styling ist einer unserer Kernbereiche und wir nehmen seit einigen Jahren einen verstärkten Markttrend wahr. Vor allem Multi-Grooming-Kits mit unterschiedlichen Schneidaufsätzen für die Haarentfernung am ganzen Körper sind sehr beliebt. Jährlich produzieren wir für Global Player rund zehn Millionen Stück fertig für den Verkauf verpackte Produkte.
Sie unterstützen Kunden bei der Entwicklung ihrer Produkte, vom Design bis zur Produktionsstätte. Wie funktioniert der Ablauf?
Viet: Wir bieten unseren Kunden eine ganzheitliche Lösung. Wir betreuen eine große Zahl internationaler Marken als One-Stop- Shop, von der Entwicklung bis zu den Feinheiten des Produktionsprozesses inklusive Assemblage und Verpackung, und decken die gesamte Wertschöpfungskette ab. Zusätzlich ist es unseren Kunden auch möglich, zu einem späteren Zeitpunkt in einen Prozessschritt unserer Wertschöpfungskette einzusteigen. Nach der Akquise wird das Produkt selbstverständlich im ständigen Austausch mit dem Kunden von unserer Entwicklungsabteilung konzeptioniert und entwickelt. Nach ersten qualitativen Tests mit Prototypen kümmert sich unser Industrial Engineering darum, das jeweilige Produkt produzierbar zu machen. Daneben wird das benötigte formgebende Werkzeug konzipiert und auch gebaut. Je nach Kundenanforderung und Projekt assemblieren wir händisch, halb- oder vollautomatisch diverse Teile zu einem Modul bzw. Produkt und verpacken es.
Ist es als CEO nicht schwierig, derartig viele Tätigkeitfelder unter einen Hut zu bringen?
Viet: Für mich ist es von Bedeutung, stets den Fokus im Blick zu behalten. Wir haben eine klare, strategische Ausrichtung auf unsere Kerngeschäfte, in welchen wir gemeinsam als ein globales Team danach streben, in allem, was wir tun, die Besten zu sein. Dies spiegelt sich auch in unserer Vision One Player to be Number One wider. Es macht mich sehr stolz, dass wir dieses Bestreben und auch den intrinsischen Antrieb unserer Mitarbeiter im letzten Jahr mit einem großen Erfolg, einer besonderen Auszeichnung von Procter & Gamble, verwirklichen konnten. Im November 2022 wurden wir als ‚Partner des Jahres‘ in der Kategorie ‚Grooming‘ ausgezeichnet.
Sie haben heuer – nach Ungarn und China – einen neuen Standort in Malaysien eröffnet. Welche Erwartungen haben Sie und welche Rolle wird er in Zukunft in der Payer Group spielen?
Viet: Um unseren Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern, setzen wir auf eine diversifizierte und effektive Standortstrategie. Neben der starken Präsenz in Europa und der Nutzung von Synergien feierten wir heuer bereits das 20-jährige Jubiläum unseres chinesischen Standorts. Um vor allem in der heutigen Zeit, einer Welt voller Unsicherheiten und volatilen Rahmenbedingungen, weiterhin resilient, agil und auch widerstandsfähig agieren sowie reagieren zu können, trafen wir 2021 die strategische Entscheidung, auch Asien mit dem Konzept ‚China+1‘, mit einem weiteren Standort in Malaysia, zu stärken. Ein wichtiger Aspekt dabei ist auch, noch flexibler auf unsere Kundenanforderungen einzugehen und den Grundstein für ein weiteres Wachstum zu legen.
Wie ist Ihre Meinung zur aktuellen Entkopplungsdiskussion mit China?
Viet: Wie bereits erwähnt, feierten wir heuer das 20-jährige Bestehen unseres chinesischen Standorts. Nach der Übernahme durch die Unternehmerfamilie Hui im Jahr 2002 hat sich für Payer sehr schnell dieser logische Schritt mit einem Standort in Asien ergeben. Der Produktionsstandort ist mit modernsten Maschinen ausgestattet, und in den letzten Jahren wurden sehr viele Bereiche vollautomatisiert. Das zeigt, dass China für die Payer Unternehmensgruppe weiterhin strategisch sehr wichtig ist. Selbstverständlich beobachten wir die geopolitischen Entwicklungen sehr genau. Grundsätzlich sehen wir, dass wir mit dem Konzept China und Malaysia über eine nachhaltig stabile und erfolgreiche Basis verfügen.
Welche Gründe gibt es, den Stammsitz in Österreich zu belassen? Wäre das etwa an einem Ihrer Standorte in Asien nicht kostengünstiger?
Viet: Unser österreichischer Hauptsitz ist auch das Technologie- & Innovationszentrum der Unternehmensgruppe. Da der technologische Fortschritt und innovative Lösungen auf allen Ebenen eine bedeutende Rolle in einem erfolgreichen Industrieunternehmen einnehmen, investierten wir in den letzten drei Jahren auch intensiv in den Standort, insgesamt rund 20 Millionen Euro. Dabei wurde der Ausbau der auf die Medizintechnik spezialisierte Fertigung vollzogen, das Schneidkompetenzzentrums erweitert, die Modernisierung der Labor- und Testinfrastruktur vorgenommen, die Büroräumlichkeiten und Besprechungszimmern neu gestaltet und neue Arbeitsbereiche durch Umgestaltungen geschaffen. Zusätzlich konnten wir im Jahr 2022 ein Großprojekt im Bereich ‚Consumer Health‘ gewinnen, wodurch wir einen neuen Fertigungsbereich mit rund 500 Quadratmeter Fertigungsfläche zubauten. In diesem Bereich wurde auch vor Kurzem eine vollautomatisierte Anlage aufgebaut.
Aufgrund des stetigen Wachstums nimmt auch das Personal als wichtigste Unternehmensressource einen hohen Stellenwert ein. Die Anzahl der Mitarbeiter in der Steiermark hat sich um 20 Prozent in den letzten beiden Jahren erhöht. In der Steiermark schätzen wir zusätzlich auch die Nähe zu Top-Universitäten und -Fachhochschulen. Wir haben mittlerweile sehr gute Beziehungen und viele Kooperationen und setzen Projekte in diversen Bereichen, wie Produktentwicklung, Nachhaltigkeit oder Employer Branding, um. Die Kombination aus theoretischem Wissen mit frischem Wind und unserer Erfahrung mit Praxiswissen sehen wir als sehr wertvoll. Zudem freut es uns natürlich, wenn wir der einen oder dem anderen während bzw. nach Abschluss des Studiums bei uns im Unternehmen eine spannende Aufgabe bieten können.