Werkzeuge nicht kaufen, sondern pro Einsatz bezahlen – das ist das Konzept der TCM International Tool Consulting & Management GmbH.
Als im Jahr 1986 Manfred und Anna Kainz in Graz einen Werkzeughandel übernahmen, ahnte wohl niemand, dass in nicht einmal vier Jahrzehnten aus dem kleinen Betrieb ein internationaler Konzern im Bereich von Zerspanungswerkzeugen – unter anderem Bohrer, Fräser, Schleifscheiben – werden würde. Heute hat das Unternehmen seinen Sitz im steirischen Stainz und zählt mit mehr als 400 Mitarbeitern an 41 Standorten zu den weltweit führenden Anbietern von Tool Management- Lösungen. Das Erfolgsrezept ist einfach erklärt: Der Kunde kauft nicht mehr den Bohrer, sondern bezahlt für jede getätigte Bohrung. Im Jahr 2022 übernahm Markus Temmel das Ruder an der Konzernspitze von Gründer Kainz. Der CEO erklärt, wie TCM seinen Kunden beim Sparen hilft.
Sie haben im Jahr 2022 den TCM-Konzern übernommen. War es schwierig, in die Fußstapfen von Gründer Manfred Kainz zu treten?
Markus Temmel: Es war sehr gut vorbereitet. Wir haben über Jahre hinweg sehr intensiv zusammengearbeitet, und der reibungslose Übergang war Manfred sehr wichtig. Er sagte immer, dass das Unternehmen so aufgestellt sein muss, dass er entbehrlich ist. Das war für ihn ein wichtiges Ziel und insofern muss ich den Hut vor ihm ziehen, wie er diese Unternehmensübergabe vorbereitet hat. Wir haben das wirklich gut geschafft. Dass jeder seine eigene Handschrift trägt, ist auch klar.
Gab es Geschäftsbereiche, die Sie deutlich umbauen mussten bzw. wie gehen Sie mit diesem unternehmerischen ‚Erbe‘ um?
Temmel: Inhaltlich waren wir sehr gut abgestimmt und hatten unsere Unternehmensstrategie aufgestellt. Was derzeit besonders ist, ist das Umfeld, in dem wir leben. Wir haben ein sehr dynamisches Marktumfeld. Das betrifft natürlich unsere wichtigsten Kernbranchen, wie den Automotive-Bereich. Die Elektrifizierung hat einen riesigen Einfluss auf die Zerspanung. Aber auch geopolitische Entwicklungen, die in den vergangenen Jahren angestoßen wurden und die wir alle nicht auf dem Schirm hatten, führen nach wie vor zu Störungen in der Supply-Chain. Das Ergebnis sind extrem gestiegene Materialpreise und eine aktuell noch immer unsichere Entwicklung in China, einem wichtigen Markt. Das sorgt tagtäglich für genügend Herausforderungen. Wir müssen das alles managen, ohne gleichzeitig unsere Unternehmensentwicklung und Produktentwicklung einzuschränken. Natürlich treiben wir Digitalisierungsprojekte massiv voran und verschmelzen sie immer stärker mit unserem Kerngeschäft, der Zerspanung. Das darf natürlich trotz aller Herausforderungen nicht auf der Strecke bleiben.
Was genau versteht man unter Tool Management?
Temmel: Tool Management bei TCM bedeutet die herstellerneutrale Bereitstellung und Optimierung von Zerspanungswerkzeugen. Dabei garantieren wir über unsere Geschäftsmodelle jährliche Kosteneinsparungen und auch Produktivitätsvorteile. Entstanden ist die Idee zum Tool Management durch den Gedanken, dass der Kunde nicht mehr den Bohrer kauft, sondern pro Bohrung bezahlt, um ein Beispiel zu nennen. Tool Management betrifft alle Bereiche der Zerspanung und alles, was mit ihr einhergeht, wie die Beschaffung von Werkzeugen, die Vorbereitung und die Bereitstellung von Werkzeugen in der Produktion an den Maschinen. Unsere Kunden bezahlen also nicht mehr für das Werkzeug, sondern pro produzierter Komponente. Das ist ein Cost per Unit-Ansatz. Wir garantieren Jahr für Jahr, dass der definierte Preis geringer wird. Das ist unsere Kostengarantie und die Garantie von jährlichen Einsparungen. Tool Management ist ein revolutionäres Geschäftsmodell mit einem sehr effizienten Prozess im Hintergrund.
Wir sprechen von Werkzeugen zum Bohren, Schleifen, Fräsen?
Temmel: Überall dort, wo ein Metallspan abgehoben wird, braucht man Werkzeuge. Fräswerkzeuge, Bohrwerkzeuge, Drehwerkzeuge, Schleifwerkzeuge und Verzahnungswerkzeuge sind ein Milliardenmarkt. Die Zerspanung ist eine Hightech-Branche, für die wir Lösungen liefern.
Aus welchen Bereichen stammen Ihre Kunden hauptsächlich?
Temmel: Unsere Tätigkeitsbereiche sind mittlerweile gut diversifiziert und aufgeteilt. Der Bereich Automotive hat nach wie vor eine große Bedeutung, zunehmend kommen unsere Kunden aber auch aus den Bereichen Luftfahrt und allgemeiner Maschinen- und Anlagenbau. Und es gibt erste Projekte im Medizinbereich. Dabei haben wir Kunden in allen Größen, von kleineren Strukturen bis hin zu globalen Konzernen.
Wie kontrollieren Sie die Abrechnung nach Cost per Unit?
Temmel: Bei TCM arbeiten wir im Tool Management mit einem sehr effizienten System, das für hohe Transparenz sorgt. Das ist seit unseren Anfängen der Fall, obwohl die technischen Möglichkeiten und Kommunikationsmittel damals noch ganz anders aussahen. In allen unseren Projekten und Standorten kennen wir tagesaktuell die Werkzeugkosten pro Bearbeitung, pro Bauteil oder pro Maschine. Natürlich ist das in den vergangenen Jahren einfacher geworden, da es verlässliche Internetverbindungen gibt und die Systemunterstützung immer besser wird. Ergänzend zu unseren Services setzen wir Hardware ein, die unsere Prozesse absichert und genau diese Daten und Informationen liefert – Stichwort Ausgabesystem.
Was kann man unter der Toolbase-Software verstehen?
Temmel: Die Marke Toolbase steht für unsere Ausgabesysteme. Ich vergleiche das gerne mit Automaten in Flughäfen oder Bahnhöfen, aus denen man sich einen Snack herausdrücken kann. Diese Systeme gibt es im industriellen Umfeld auch mit deutlich mehr Logik im Hintergrund. In diesen Ausgabesystemen lagern wir Zerspanungswerkzeuge, Ersatzteile oder Sicherheitsausrüstung. Sie sind vielfältig einsetzbar. Der Vorteil ist, dass sie 24/7 verfügbar sind, nie auf Urlaub gehen und nie krank werden. Man platziert diese Systeme relativ produktions- und damit verbrauchsnah. Nach einer Authentifizierung können Mitarbeiter Artikel kontrolliert entnehmen, die sie für die Fertigung brauchen. Im Hintergrund werden die Entnahmen transparent protokolliert, die Kosten zugeordnet und die Neubeschaffung automatisch angestoßen, wenn es notwendig ist. Das managen wir mit unserem Produkt Toolbase und dafür gibt es eine sehr große Nachfrage am Markt.
Sie wissen also immer, welche Maschine gerade welches Werkzeug benutzt und was sie damit tut?
Temmel: Ganz genau, mit dem Kunden sind wir sehr eng verzahnt. Unsere Mitarbeiter sitzen bei größeren Projekten wirklich permanent in der Fertigung unserer Kunden vor Ort und arbeiten wie eine Abteilung des Kunden. Diese Teams bestehen aus Technologen und Mitarbeitern, die sich um die Beschaffung kümmern und am Shop-Floor Werkzeuge zusammenbauen, vermessen und bereitstellen. Wir sprechen hier von Präzisionsbearbeitung mit einem Toleranzbereich von einem μ (Mü), was dem Bruchteil der Stärke eines menschlichen Haares entspricht. Die Fertigungssituation des Kunden gut und richtig zu verstehen und unsere Abläufe daran auszurichten, zeichnet uns aus.
Sie analysieren aber nicht nur den Bedarf Ihrer Kunden, Sie statten sie auch mit Hardware aus.
Temmel: Wir beliefern unsere Kunden und deren Maschinen mit Werkzeugen, die wir beschaffen und zum Teil selbst designen. Wir selbst produzieren keine Maschinen.
Hat der Bereich Wiederaufbereitung, Reparatur und Schleifen durch die Notwendigkeit zur Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen?
Temmel: Wir arbeiten bereits seit Jahren in diesem Kreislauf und wissen um den Wert eines Zerspanungswerkzeugs und des zum Einsatz kommenden Materials. Deshalb betreiben wir seit vielen, vielen Jahren auch Werkzeugschleifzentren, in denen Werkzeuge wieder instandgesetzt werden. Ich muss den Bohrer nicht wegwerfen, sondern er wird mehrmals nachgeschliffen. Das spart sehr viel Material und dadurch Kosten. Für unsere Kunden wird das Thema Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, da in diesem Bereich eine Vielzahl an Regularien auf uns zukommt.
Weshalb ist es Ihnen wichtig, Produkte unterschiedener Hersteller – also herstellerunabhängig – anzubieten?
Temmel: Wir sehen, dass kein Hersteller bei allen Anwendungen die Nase vorne hat – dafür ist das Thema der Zerspanung zu umfangreich, zu komplex und es gibt viel zu viele Anwendungsfelder. Unser Ziel ist es, für unseren Kunden Kosteneinsparungen zu erarbeiten. Wir brauchen also die beste Lösung für genau die konkrete Bearbeitung beim Kunden. Deshalb müssen wir frei bei der Auswahl der Produkte und Werkzeuge sein. Der Anspruch an uns selbst und an unsere Technologen ist, ein sehr breites, gutes und solides Wissen über Werkzeugtechnologie zu haben und permanent zu wissen, was es an Innovationen gibt. Zur Absicherung von Lieferketten schadet es natürlich auch nicht, wenn man mehrere Kanäle offen hat.
Welche Rolle wird KI in Zukunft bei TCM spielen?
Temmel: Wir verwenden gerne Begriffe, vor denen ich sehr viel Ehrfurcht habe. Es ist die Spitze der Technologie, über die wir uns gerne unterhalten. Was macht aber einen guten Werkzeugtechnologen bei TCM aus? Wir sind zum Schluss gekommen, dass der Mensch sehr stark durch Erfahrung lernt. Unsere besten Techniker haben durch unterschiedlichste Erfahrungen in der Anwendung über die Zeit gelernt. Das Limitierende ist, dass wir als Menschen in einer bestimmten Zeit nur eine gewisse Anzahl an Erfahrungen machen können. Die aktuellen Technologien befähigen uns, immer besser Prozessdaten laufend zu sammeln, sie sinnvoll zu verdichten und daraus zu lernen. Diese Systeme werden über kurz oder lang schneller und besser in der Lage sein, zu lernen. Noch sind wir aber nicht so weit. Wir haben die Erfahrung gewonnen, dass viele Unternehmen in keinster Weise über die Basis für die Anwendung dieser Spitzentechnologie verfügen, sie vorbereitet haben oder aber sie sträflich vernachlässigen. Wir machen es umgekehrt und beschäftigen uns seit Jahren intensiv mit dem Thema Stammdaten und Stammdatenqualität. Das ist die Grundvoraussetzung, wenn man Systeme vernetzen will. So arbeiten wir uns Schritt für Schritt nach oben.
Welche der aktuellen Unsicherheiten macht Ihnen die größten Sorgen?
Temmel: Wenn wir die vergangenen zwei, drei Jahre Revue passieren lassen, dann gibt es noch immer das Riesenthema der Supply-Chain aus der Covidpandemie, wenngleich sie sich mittlerweile besser eingespielt hat. Die gestiegenen Energiekosten durch den Ukrainekrieg haben zu einer erwarteten Preisspirale geführt und wir kämpfen bis zum heutigen Tag damit – Stichwort Inflation. Das ist eine enorme Herausforderung. Die Energiepreissteigerung ist bei unseren Kunden und in der Produktion aufgeschlagen. Wir sprechen von Metallbearbeitung und Maschinen, dabei wird viel Energie benötigt. Es gab enorme Kostensteigerungen von heute auf morgen. Dadurch wurde eine weitere Tsunamiwelle ausgelöst, denn durch die gestiegenen Energiepreise sind auch die Materialpreise und die Mitarbeiterkosten gestiegen. Wir versuchen mit aller Kraft, diese Spirale zu dämpfen, und haben für unsere Handelskunden in Österreich eine Preisstabilität für dieses Jahr ausgesprochen.