Der weltweit größte Feuerwehr-Ausstatter steht unter Strom

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Die Elektrifizierung ist auch bei Schwerfahrzeugen angekommen: Der Rosenbauer-Konzern baut „Revolutionary Technology“.

Der oberösterreichische Rosenbauer-Konzern zählt seit Jahrzehnten zu den führenden Feuerwehrausstattern der Welt. Ständige Innovation ist eines der Erfolgsgeheimnisse des Unternehmens, das Fahrzeuge, Löschtechnik, Ausrüstung und digitale Lösungen für Berufs-, Betriebs-, Werk- und freiwillige Feuerwehren sowie Anlagen für den vorbeugenden Brandschutz entwickelt und produziert. Produkte aus europäischer, US-amerikanischer und asiatischer Fertigung decken dabei alle wichtigen Normenwelten ab. Mit einem Umsatz von 972,2 Millionen Euro, rund 4.100 Mitarbeitern (Stand 2022) und einem Vertriebs- und Servicenetzwerk in ungefähr 120 Ländern ist der Konzern der größte Feuerwehrausstatter der Welt. Das börsennotierte Familienunternehmen besteht in der sechsten Generation und ist seit mehr als 150 Jahren im Dienste der Feuerwehren tätig. CEO Sebastian Wolf über die Elektrifizierung von Feuerwehrfahrzeugen, Herausforderungen in der Zukunft und einen massiven Cyberangriff, der den Konzern im Frühjahr 2023 besonders zu schaffen machte.

Das Unternehmen Rosenbauer gibt es seit mehr als 150 Jahren. Welche ‚Hauptzutaten‘ machten Rosenbauer zu einem erfolgreichen internationalen Konzern?
Sebastian Wolf: Trends frühzeitig erkennen und in reale Produkte umwandeln, zählt eindeutig zu unseren Stärken. So haben wir bereits im Jahr 2016 bei unserer 150-Jahr-Feier den Concept Fire Truck, ein Feuerwehrfahrzeug mit vollelektrischem Antrieb, vorgestellt. Daraus entwickelte sich der RT (Revolutionary Technology), der im Jahr 2020 bei ausgewählten Kunden in den Testbetrieb ging. Seit Mai 2023 produzieren wir den RT in Serie und beliefern Kunden in Europa, USA, Australien sowie Kanada. Bei der Fachmesse ‚Interschutz‘ im Juni 2022 konnten wir als einziger Hersteller ein komplettes, vollelektrisches Line-up von Einsatzfahrzeugen für den kommunalen Bereich vorstellen: Neben unserem RT, kommunalen Löschfahrzeugen, Drehleitern und Logistikfahrzeugen auf elektrischen Lkw-Chassis haben wir auf der ‚Interschutz‘ auch den ersten Prototypen unseres Flughafenlöschfahrzeugs, den Panther electric, der Öffentlichkeit präsentiert. Einsatzfahrzeugen mit alternativen Antrieben wird in den nächsten Jahren eine bedeutende Rolle zukommen, denn sie liefern einen wertvollen Beitrag, damit Städte und Kommunen ihre Klimaziele erreichen können.

Sie verfügen über Fertigungen in Europa, den USA und Asien. Welcher der Standorte ist für Sie besonders wichtig und weshalb?
Wolf: Die Standorte sind so gewählt, dass wir nahe am Kunden agieren können, Lieferwege kurz halten und zur Wertschöpfung der jeweiligen Länder beitragen. Durch die Produktion an den unterschiedlichen Standorten decken wir auch die geforderten Normen ab. Ein Fahrzeug für den europäischen Markt unterliegt völlig anderen Vorgaben als ein Fahrzeug, das in Amerika oder in Asien in den Dienst gestellt wird. Neben der Fertigung in Europa zählt Nordamerika als einer der größten Einzelmärkte für Feuerwehrfahrzeuge zu unseren wichtigsten Absatzregionen; dementsprechend großes Augenmerk legen wir auch auf den Ausbau unseres Händler- und Servicenetzwerks.

Trotz internationaler Ausrichtung befindet sich das Stammhaus in Österreich. Welche Vorteile bietet dieser Standort für Sie?
Wolf: Das Stammhaus in Leonding nahe Linz ist unser größter Produktionsstandort. Hier werden unter anderem unser stückzahlenstärktes Kommunalfahrzeug, der AT (Anm.: Advanced Technology), der Panther, ein Flughafenlöschfahrzeug und die Löschkomponenten für den gesamten Konzern gefertigt. Der überwiegende Teil unserer Produktentwicklung ist ebenfalls in Leonding angesiedelt. Als Traditionsmarke ist es uns wichtig, möglichst viel Wertschöpfung im eigenen Land zu erbringen. Zudem bietet uns der heimische Arbeitsmarkt auch die Qualifikationen, die wir in unserem anspruchsvollen Geschäft brauchen.

Ihr Unternehmen war Ende Februar das Ziel eines Cyberangriffs. Welchen Schaden hat das angerichtet und welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?
Wolf: Die Frage ist heute nicht, ob man angegriffen wird, sondern wann. Wir waren gut vorbereitet, und unser IT-Team hat schnell reagiert und als sofortige Maßnahme alle Server vom Netz genommen. Danach startete das Team mit einem kontrollierten Recovery-Prozess. Innerhalb kürzester Zeit wurden rund 300 Server und über 3.000 Notebooks neu aufgesetzt und die IT-Systeme nach und nach wieder online gebracht mit Fokus auf Produktion und Logistik. Trotzdem war die Produktion am Standort Leonding rund zwei Wochen lang gestört, während andere Standorte wie Amerika oder Spanien weiter produzieren konnten. Wir gehen von einem wirtschaftlichen Schaden im Bereich eines niedrigen, einstelligen Millionen-Euro-Betrags aus. Die Schadensermittlung konnte lange nicht abgeschlossen werden und dauerte viele Wochen. Der Angriff hat klar gezeigt, wie wichtig ein gut aufgesetzter Recovery-Prozess ist und die Sensibilisierung der Mitarbeitenden für das Thema. Als Konsequenz haben wir unsere Sicherheitsvorkehrungen konzernweit deutlich verschärft.

Cyberangriffe sind nur eine Herausforderung in dieser turbulenten Zeit. Wie sehr sind Sie von der Energieverteuerung bzw. Lieferkettenproblemen – wie etwa durch den Krieg in der Ukraine – betroffen?
Wolf: Da unsere Energiekosten weniger als ein Prozent des Umsatzes ausmachen, sind wir direkt kaum von der Energieverteuerung betroffen. Über die Lieferkette sind wir aber sehr stark von der energiepreisinduzierten Teuerung betroffen. Beispielsweise ist das für uns wichtige Aluminiumblech im Jahr 2022 gegenüber 2021 um 37 Prozent teurer geworden. Die Lieferketten sind trotz zunehmender Lichtblicke noch sehr fragil und reagieren höchst sensibel auf die geringste Veränderung. Längere Lieferzeiten bei vielen Großkomponenten, vor allem bei den für uns sehr wichtigen Fahrgestellen, sind für uns zur ‚neuen Normalität‘ geworden und wir stellen unsere Abläufe darauf ein.

Merken Sie Probleme beim Rekrutieren von neuen Fachkräften und welche Maßnahmen treffen Sie, um in Zukunft genügend Fachpersonal zur Verfügung zu haben?
Wolf: Der Fachkräftemangel betrifft mittlerweile alle Branchen, wobei zunehmend nicht nur Fachkräfte fehlen – es fehlt generell an Arbeitskräften. Bei Rosenbauer hat daher die Ausbildung von Lehrlingen einen ganz hohen Stellenwert. Wir bilden etwa rund 100 Lehrlinge aus, und besonders erfreulich ist, dass es auch immer mehr Mädchen sind. So haben im September 2022, am Standort Leonding und Neidling, 32 neue Lehrlinge ihre Ausbildung begonnen, und ein Viertel davon waren junge Frauen. Durch unsere Initiative women@rosenbauer.com versuchen wir zudem, gezielt Frauen für Rosenbauer zu gewinnen, denn wir wollen unseren Frauenanteil bis 2025 auf 15 Prozent erhöhen, aktuell liegt er bei etwa 13,5 Prozent im Konzern.

Stichwort Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft – welche Schritte unternimmt Rosenbauer aktuell, um ‚grüner‘ bzw. nachhaltiger zu produzieren?
Wolf: Wir haben im Jahr 2022 als Teil unserer langfristigen Konzernstrategie ‚Rosenbauer City 2030‘ eine Klimastrategie auf Basis der Vorgaben der ‚Science Based Targets‘-Initiative erstellt und zur Evaluierung eingereicht. Dazu wurde erstmalig eine umfassende Treibhausgasinventur vorgenommen und neben den direkten auch die indirekten CO2-Emissionen ermittelt. Dies hat uns gezeigt, dass wir als Assemblierer nur einen sehr geringen Teil der uns zurechenbaren Emissionen selbst verursachen. Der überwiegende Teil stammt aus indirekten Emissionen durch die Nutzung unserer Fahrzeuge.
Wir haben uns vorgenommen, bis 2030 unsere Emissionen im direkten Bereich um 46,2 und im indirekten Bereich um 27,5 Prozent im Vergleich zu 2019 zu reduzieren. Auf dem Weg dorthin setzen wir neben weiteren Maßnahmen auf ein eigenes Programm für mehr Energieeffizienz und zum anderen auf alternative Fahrzeugantriebe.

Vor welchen Herausforderungen steht Ihr Unternehmen in den kommenden Monaten?
Wolf: Unsere Kunden stammen fast ausschließlich aus dem öffentlichen Sektor. Diese sind es gewohnt, über Ausschreibungen Fixpreisverträge abzuschließen. Wir müssen unsere Kunden von indexierten Verträgen überzeugen und gleichzeitig unsere Herstellkosten reduzieren, um der Teuerung entgegenzuwirken. Diese trifft uns besonders stark, da die durchbrochenen Lieferzeiten zu längeren Durchlaufzeiten geführt haben. Nach einem schwierigen Jahr 2022 haben wir uns zum Ziel gesetzt, 2023 einen Umsatz von über einer Milliarde Euro und mit einer EBIT-Marge von drei Prozent wieder ein klar positives Ergebnis zu erreichen. Dazu haben wir bereits im Spätsommer 2022 ein Programm zur Herstellkostenreduktion und Anpassung unserer Preispolitik initiiert.

Welche Maßnahmen würden Sie sich von der Politik wünschen, um den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiver zu machen? Oder ist alles eitel Wonne?
Wolf: Ich wünsche mir von der Politik, dass alternative Antriebe wirklich in allen Bereichen gleichermaßen gefördert werden. Denn wir bemerken immer wieder, dass sich die besonderen Bedürfnisse der Feuerwehren nur unzureichend in Förderrichtlinien wiederfinden. Dabei könnte man mit angepassten Kriterien schnell die Basis für eine Mobilitätswende etwa hin zu elektrischen Fahrzeugen schaffen. Gerade unsere Fahrzeuge sind oft 20 Jahre oder länger im Einsatz – das heißt einerseits, sie sind sehr beständig, und andererseits müsste man schon heute einen Technologiewechsel vollziehen, um 2030 die Pariser Klimaziele zu erreichen.