An Spitzentagen werden bis zu 1.000 Kinderfahrräder bei woom bestellt, dabei helfen maßgeschneiderte IT-Lösungen von Microsoft.
Gerade einmal zehn Jahre sind vergangen, seitdem die beiden Väter Marcus Ihlenfeld und Christian Bezdeka ihr Unternehmen woom in einer Wiener Garage gründeten. Der Anlass: Die beiden hatten vergeblich nach dem idealen Fahrrad für ihre Kids gesucht und begannen, selbst zu designen und zu tüfteln. Sie dürften mit ihren woom-Bikes das perfekte Kinderfahrrad erfunden haben, denn mittlerweile werden an guten Tagen bis zu 1.000 woom-Fahrräder verkauft. Das IT-System hinter dem internationalen Verkaufserfolg lieferte Microsoft. Martin Bartmann, COO von woom, und Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, erklären die Wege bis zum 100 Millionen-Umsatz-Unternehmen, das heute übrigens in Klosterneuburg residiert.
In zehn Jahren von der Gründung zu einem weltweiten Unternehmen – was macht die Kinderfahrräder von woom so einzigartig, dass sie so begehrt sind?
Martin Bartmann: Dass wir aus der Garage heraus innerhalb von zehn Jahren zu einem internationalen Unternehmen und der größte, reine Kinderfahrrad-Hersteller weltweit geworden sind, lässt sich auf einige wesentliche Punkte zurückführen. Der erste ist definitiv das Produkt, das von Beginn an speziell für Kinder entwickelt und wo Wert darauf gelegt wurde, dass das Rad wirklich leicht ist. Unser ,woom2‘ ist noch immer das leichteste Kinderfahrrad seiner Größenklasse. Zudem haben es die Gründer in den vergangenen drei Jahren geschafft, die operative Führung des Unternehmens in Managerhände zu geben und sind nun im Aufsichtsrat vertreten. Ich freue mich, dass ich Teil dieser Geschichte sein und sie weiterentwickeln darf. Wesentlich sind für uns ebenfalls die 250 Mitarbeitenden – unsere sogenannten woomster –, die nicht nur das Produkt und die Marke leben, sondern mit ganzem Herzen dabei sind. Zudem möchten wir unseren Kundinnen und Kunden das bestmögliche Service zukommen lassen. Wir möchten den Kindern nicht nur die Liebe zum Fahrradfahren näherbringen, sondern damit die Welt auch ein bisschen besser machen. Dieses Mission-Statement ist nicht nur leichtfertig dahingesagt, sondern man spürt es im ganzen Unternehmen.
Weshalb produzieren Sie nicht auch Räder für Erwachsene?
Bartmann: Ich hätte gern ein woom-Fahrrad, aber wir haben von Beginn an entschieden, dass wir uns auf Kinderfahrräder konzentrieren. Das können wir und es gibt eine klare Positionierung.
Wann stieß Microsoft dazu?
Bartmann: Zu Beginn des Jahres 2021, als wir Kurs auf 300.000 verkaufte Fahrräder pro Jahr nahmen, war klar, dass wir diese Anzahl nicht mehr abwickeln können. Das ist eine Größenordnung, bei der es mit Werkzeugen wie Excel und Word nicht mehr funktioniert. Und es war klar, dass wir ein ERP-System (Enterprise-Resource- Planning, Anm.) brauchen. Hier kam Microsoft ins Spiel.
Was waren die speziellen Herausforderungen für Microsoft, mit einem boomenden Start-ups zusammenzuarbeiten?
Hermann Erlach: Microsoft hat ein sehr starkes Partnerökosystem, um aufstrebende, innovative, junge Unternehmen zu unterstützen. Gemeinsam mit unseren Partnern betreuen wir auch kleinere Unternehmen, die ein hervorragendes Geschäftspotenzial haben und gerade für Österreich immens wichtig sind. Denn Österreich ist ein Mittelstandsland. Gerade bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen kann sich die Geschwindigkeit des Businessaufbaus rasch beschleunigen, und wir stehen dafür, das Tempo des Wachstums digital zu unterstützen und zu skalieren. Wir sehen einen riesigen Aufholbedarf im österreichischen Mittelstand, denn viele Studien zeigen, dass wir mit dem Digitalisierungsgrad immer noch massiv hinterherhinken. Das gilt insbesondere für kleine Unternehmen und hat sehr stark damit zu tun, wie niederschwellig der Zugang zu Technologie ist. Man sieht auch in anderen Ländern: Je höher die Cloud Adoption ist, desto leichter tun sich auch kleine und mittelständische Unternehmen, zu wachsen und zu skalieren.
War das für Microsoft eine Strategieentscheidung, sich auch kleinerer Unternehmen anzunehmen?
Erlach: Ich würde das nicht als Strategieschwenk sehen, denn wir versuchen, alle Segmente zu betreuen. Nur weil ein Unternehmen im Wachstumspfad noch kleiner ist, braucht es nicht weniger Betreuungsintensität, sondern vermutlich sogar mehr. Diese Unternehmen sind in der Cloud elementar für uns, wachsen meistens wesentlich schneller als die großen Unternehmen und sind dadurch dynamischer. Für uns sind solche Vorzeigemodelle wie woom essenziell, um das Potenzial in Österreich aufzuzeigen, denn nur zwei Prozent der Mittelstandsunternehmen sagen von sich selbst, dass sie stark digitalisiert sind. Es besteht für Österreich zwischen 20 und 25 Prozent Aufholbedarf gegenüber anderen Ländern in Europa.
Sie erhalten an 365 Tagen im Jahr zwischen 500 und 1.000 Bestellungen pro Tag. Wie ist diese Menge logistisch bewältigbar?
Bartmann: Es war uns bald klar, dass wir ein durchgängiges System von der Bestellabwicklung auf der Kundenseite bis in die Richtung unserer Assembler und Komponentenhersteller benötigen, das aber auch bis in die Finanz hineinführt. Damit bringen wir eine Transparenz und Stabilität ins Unternehmen. Nur mit ERPSystem können wir das geplante Wachstum von woom auch stemmen. Deshalb haben wir eine große Lösung für uns gewählt. Was die physischen Komponenten anbetrifft, ist die Fahrradbranche eine sehr internationale Branche. Viele Komponenten stammen aus Asien, werden aber hier, in Klosterneuburg, designt und entwickelt. Deshalb haben wir weltweit Partnerbetriebe, die die Teile für uns herstellen. Aufgrund der Größe haben wir begonnen, zu diversifizieren, sodass wir mehrere Partner an verschiedenen Standorten haben, um das gesamte System auch resilienter zu machen.
Erlach: Ein spannender Aspekt, den wir beobachten, ist, dass Digitalisierung und Tools über weite Strecken darauf ausgelegt waren, die letzte Schraube zu optimieren, egal ob am Shop-Floor oder auf der ERP-Ebene. Das hat sich durch Corona zum Teil verändert, denn man muss viel schneller auf Änderungen in der Supply-Chain reagieren und Bedarfsschwankungen antizipieren. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren die Datenmodelle in der Cloud Native neu entwickelt, dahinter steht auch unsere Datacenter-Infrastruktur. Das ermöglicht uns jetzt, datengetrieben zu arbeiten. Damit sieht man frühzeitig im System, wenn sich etwas ändert, und diese Daten werden Prozesse auslösen. Es wird immer wichtiger, mit Flexibilität auf Bedarfsänderungen in der Supply Chain zu reagieren. Auch ein datengetriebenes Management wird immer wichtiger. Die klassischen ERP-Systeme laufen eher über den Prozess und die Transaktion und nicht so sehr über das datengetriebene Modell.
Bartmann: Hier werden wir auch die nächsten Schritte unternehmen, nämlich aus den Daten die Bestellungen herauszulösen und in Richtung der Assembler nutzen. Die Lieferzeit aus Asien beträgt noch immer zwei bis drei Monate, aber unsere Kundinnen und Kunden bestellen heute online und wollen übermorgen das Rad geliefert bekommen. Deshalb brauchen wir genau diese Intelligenz, die im System rechtzeitig erkennt, welche Trends sich aus dem Lesen der Daten ergeben, ob sich etwa das gelbe oder das violette Rad besser verkauft. Das System kann das dann auf der Planungsseite und bei unseren Bestellungen bei den Produktionspartnern umsetzen.
Wie sehr unterstützt hier KI?
Bartmann: So weit sind wir noch nicht, aber das ist der nächste Entwicklungsschritt.
Erlach: Es gibt bereits sehr viele Ansätze und Prozesse, die KI jetzt schon nutzen. Wir arbeiten mit unserem auf KI basierten Copiloten- Ansatz, damit ein Unternehmen keinen eigenen Data-Scientist oder eine hohe KI-Expertise braucht, denn diese Prozesse sind bereits automatisch im Tool verfügbar. In der Cloud sind alle Microsoft- Lösungen miteinander verbunden. In Zukunft kann man von Teams aus direkt in das ERP greifen.
Im Vorjahr haben Sie die 100 Millionen Euro-Umsatzgrenze überschritten – ein Schockmoment, wenn man solche Zahlen sieht?
Bartmann: Ich würde das nicht als Schock bezeichnen, ganz im Gegenteil. Wir haben das Unternehmen von Beginn an auf Wachstum ausgelegt, und ich freue mich, dass ich dabei sein darf, das Unternehmen in dieser Phase zu begleiten. Wir gehen weiter in die Internationalisierung. Wir haben nach wie vor eine sehr starke Homebase in Deutschland und in Österreich und sind jetzt verstärkt in die Märkte in Frankreich und die Schweiz eingestiegen. Man kann unsere Räder bereits in 30 Ländern kaufen, aber wir möchten das Volumen noch steigern. Wir sind auch in den USA zu Hause und dort wollen wir noch kräftiger wachsen. Wir möchten zumindest schneller wachsen als der Wettbewerb.