Nach herausfordernden Krisenjahren blicken die Salzburger Festspiele in eine glänzende Zukunft und planen bereits bis ins Jahr 2032.
Die Salzburger Festspiele überstehen alles – denn trotz Pandemie fanden die Aufführungen auch in den Corona-Jahren statt. Und so feierte man im Jahr 2020 das 100. Jubiläum. Lukas Crepaz ist seit 2017 kaufmännischer Direktor der Salzburger Festspiele, steuerte das Traditionsfestival erfolgreich durch die Krisenjahre und wird zumindest bis zum Jahr 2027 diese Position bekleiden. Der gebürtige Tiroler gibt Einblicke in die Faszination der Festspiele, die wirtschaftliche Bedeutung und Zukunftspläne.
Wie sehr haben die vergangenen Jahre der Krisen Spuren bei den Salzburger Festspielen hinterlassen?
Lukas Crepaz: Die Salzburger Festspiele waren im Jahr 2020 weltweit das einzige große Festival, das stattgefunden hat, und haben damit eine Vorreiterrolle für den gesamten Kulturbetrieb eingenommen. Unser Konzept war ein Vorbild für die europäische Kulturszene und wurde von vielen Kulturbetrieben übernommen. Ich bin fest davon überzeugt, dass uns gerade in diesen Zeiten sehr großer Unsicherheiten die DNA der Salzburger Festspiele hilft: Kunst zu ermöglichen. Dieser Wille treibt jeden einzelnen unserer Mitarbeiter an – jeden der über 250 Ganzjahresmitarbeiter und jeden einzelnen der in den Sommermonaten bis zu 4.500 Mitwirkenden. Und mit dieser Einstellung konnten wir den Kraftakt bewältigen, inmitten der größten Gesundheitskrise in Europa seit der Spanischen Grippe unser 100-jähriges Bestehen mit einem vierwöchigen Festspielprogramm zu begehen, das künstlerisch sinnvoll und wirtschaftlich machbar und unter Anwendung eines strengen und präzisen Präventionskonzepts gesundheitlich sicher war. Fast 80.000 Besucher konnten die 110 Veranstaltungen der Festspiele in 2020 erleben. Bei den erforderlichen Entscheidungen hat uns als Direktorium – die Präsidentin Helga-Rabl-Stadler, Intendant Markus Hinterhäuser und mich – der Blick in die eigene, sehr wechselhafte Geschichte der Salzburger Festspiele und der Mut unserer Gründer und Vorgänger angespornt. Die Festspiele wurden ja inmitten des Ersten Weltkriegs als Friedensprojekt von Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss ersonnen. Es gibt eine Denkschrift aus dem Jahr 1917 an den k&k Hoftheaterintendanten, in der Max Reinhardt für seine Vision warb. Bei den Salzburger Festspielen sollten ehemals verfeindete Nationen wieder zueinander finden und gemeinsam das Höchste der Künste erleben. Gleichzeitig hatte Reinhardt in dieser Krisenzeit argumentiert, welche wirtschaftliche Bedeutung so eine Unternehmung für das ganze Land haben wird und welchen Wohlstand zukünftige Besucher aus aller Welt der gesamten Region bringen wird. Dieses so visionäre Schriftstück hat sich längst bewahrheitet.
Welche wirtschaftliche Bedeutung haben die Festspiele?
Crepaz: Die Festspiele waren immer eine sich gegenseitig befruchtende Einheit aus Kunst und Wirtschaft, sie haben ein eigenes Eco- System gebildet. Es besteht aus Effekten, die tatsächlich messbar sind und die man modellhaft berechnen kann, und aus solchen, die man nicht messen kann. Die bisher letzte Wertschöpfungsstudie der Wirtschaftskammer hat alleine in Salzburg eine Wertschöpfung von 183 Millionen Euro und in ganz Österreich 215 Millionen pro Jahr ergeben. Zusätzlich schaffen bzw. sichern die Festspiele 2.800 ganzjährige Vollzeitarbeitsplätze in Salzburg, in Österreich sind es 3.400. Mir erzählen viele Unternehmer, insbesondere im Einzelhandel und in der Gastronomie, dass sie in den sechs Wochen der Festspiele rund ein Drittel ihres Ganzjahresumsatzes erzielen. Während der Festspiele ist Salzburg eine kulturelle Weltstadt – die ganze Stadt atmet Festspiele. Die qualitativ sehr hochstehende Nachfrage der Festspielgäste befruchtet den Handel, Hotellerie und Gastronomie. Es gibt schwer messbare Bildungs-, Kompetenz- und Identitätseffekte, die von den Festspielen ausgehen. Der Werbeeffekt durch die Zigtausenden Berichte, Postings, Fernseh- und Radiobeiträge und Streamings, die weltweit zu den Salzburger Festspielen erscheinen und Millionen Menschen erreichen, ist riesig. Pro Jahr besuchen über 213.000 Karteninhaber die über 200 Veranstaltungen der Salzburger Festspiele. Weitere 100.000 Personen besuchen die Angebote bei freiem Eintritt, insbesondere die ‚Siemens.Festspiel.Nächte‘ am Kapitelplatz und das Fest zur Festspieleröffnung.
Ist für Sie ein Moment denkbar, an dem sich die Menschen abseits der Wohlhabenden aufgrund der Inflation einen Festspielbesuch nicht mehr leisten können?
Crepaz: Wir wollen Festspiele für alle sein. Mehr als 50 Prozent unserer Karten, das heißt mehr als 100.000 Karten, kosten zwischen fünf und 110 Euro. Auch in Zeiten hoher Inflation haben wir die Kartenpreise nur in den teuersten Kategorien erhöht, in denen die Preiselastizität und die Toleranz gegenüber Preiserhöhungen eine andere ist. Das Angebot in den niedrigeren Preiskategorien blieb unverändert. Es ist uns besonders wichtig, diese Teilhabe zu ermöglichen, egal in welcher Einkommensgruppe man ist. Die Leistbarkeit ist gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten natürlich ein Thema. Wir merken aber, dass sich unsere Gäste Kunst leisten wollen. Wir sehen das in der Nachfrage, die ungebrochen ist. Wir steuern wieder auf das Niveau vor der Pandemie zu.
Ist der Spagat zwischen ‚künstlerischen Wünschen‘ und der Budget-Realität schwierig?
Crepaz: Die Festspiele haben einen Eigendeckungsgrad von 75 Prozent. Wir sind gleichzeitig Kunstbetrieb und eine Unternehmung. Dies ist auch das Selbstverständnis unserer Programmierung. Man geht oft davon aus, dass die künstlerische und die kaufmännische Denkweise komplett gegensätzlich sind. Wir haben das große Glück, dass wir mit Markus Hinterhäuser einen Intendanten haben, der ein großes Verständnis für die kaufmännischen Notwendigkeiten hat.
Die hohe Inflation stellt natürlich eine sehr große Herausforderung für uns dar. Während sich Energie- und Materialpreise schon wieder halbwegs normalisiert haben, liegt die große Herausforderung in den Langzeiteffekten. Aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten ist der Druck bei den Kollektivvertragsverhandlungen wesentlich größer, wodurch sich die Personalkosten deutlich erhöhen. Das belastet die Budgets der nächsten Jahre sehr. Wir werden in den beiden Jahren 2023 und 2024 eine Steigerung der Personalkosten haben, die so hoch ist, wie die kumulierten Kostensteigerungen der vorangehenden sechs Jahre. Da Kunst und Kultur sehr personalintensiv sind, sprechen wir hier auch über den größten Anteil unseres Budgets.
Machen die großen Stars bei den Gagen – im Vergleich etwa zu großen Solo-Konzerten – Abstriche, weil ein Auftritt bei den Salzburger Festspielen auch einen großen Image-Wert hat?
Crepaz: Wir können nicht die Honorare großer kommerzieller Veranstalter zahlen. Bei uns gibt es Höchstgagen, die stabil gehalten und von allen akzeptiert werden. Die langjährige Verbindung zu unseren Künstlern ist von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Und natürlich wird die Aura der Salzburger Festspiele von allen Mitwirkenden sehr geschätzt.
Wären die Salzburger Festspiele ohne die derzeit 18 Millionen Euro öffentliche Förderungen möglich?
Crepaz: Ich spreche hier lieber von Investitionen. Eine Erkenntnis der Wertschöpfungsstudie war, dass jedes Jahr an direkten und indirekten Steuern und Abgaben an den Bund, das Land und die Stadt 77 Millionen Euro zurückfließen. Das heißt, jeder investierte Euro kommt mehrfach zurück.
Die Salzburger Festspiele bieten auch ein Programm für Jugendliche. Ziehen Sie so das Publikum von morgen heran?
Crepaz: Im Jahr 2020 haben wir mithilfe von Raiffeisen, Uniqa und der Würth-Gruppe unser Kinder- und Jugendprogramm neu aufgestellt und deutlich ausbauen können. Im Programmbereich ‚jung&jede*r‘ finden nun von März bis Ende August insgesamt 54 Veranstaltungen und Workshops statt. Neben der Kinderoper gibt es nun weitere Schauspiel- und Musiktheaterproduktionen. In unserer Programmschiene ‚Von Abtenau bis Zell am See‘ bringen wir unsere Produktionen in Schulen und Kulturzentren im ganzen Land Salzburg und erreichen damit Kinder und Jugendliche, die sonst nicht zu den Festspielen kommen könnten. Das ist uns sehr wichtig in puncto Teilhabe und der kulturellen Bildung, da wir merken, dass kultur- und bildungspolitisch große Defizite herrschen.
Spüren Sie die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen? Sowohl beim Ausfall russischer Künstler, als auch bei ausbleibenden Gästen?
Crepaz: Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und haben hier eine klare Haltung. Wer sich mit diesem Krieg, seinen Protagonisten oder seinen Zielen identifiziert, kann nicht bei Festspielen auftreten oder Partner der Festspiele sein. Die Salzburger Festspiele sind ein internationales Festival mit Besucherinnen und Besuchern sowie Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt. Russland war vor dem Krieg ein wichtiger Quellenmarkt. Dies ist nun nicht mehr der Fall. Es kommen aber weiterhin Gäste aus über 80 Nationen zu den Salzburger Festspielen, seit diesem Jahr sind unter den Top-10-Quellenmärkten neben den europäischen Ländern wieder die USA, Japan und Südkorea.
Bei den Festspielen in Bayreuth blieben 2023 viele Plätze leer, Medien sprachen von einem Abgesang. Wie sehen Sie diese Entwicklung in Zusammenhang mit den Salzburger Festspielen?
Crepaz: Die Kartennachfrage bei den Salzburger Festspiele ist weiterhin sensationell, wir steuern wieder auf eine hervorragende Auslastung von 97 Prozent zu. Jeder hat die Möglichkeit, zu Karten zu kommen – egal, ob das längerfristig planende internationale Publikum, Sponsoren, Freunde und Förderer oder Kurzentschlossene. Die kurzfristige Nachfrage ist gerade in einem so starken Sommer wie diesem sehr groß. Das Interesse nach einzelnen Produktionen steigt besonders, wenn die jeweilige Produktion sehr gut aufgenommen und besprochen wird oder wenn sie polarisiert. Wir verkaufen seit Jahren im Sommer zwischen fünf und zehn Prozent der Karten.
Ihr Vertrag wurde im Jahr 2021 um weitere fünf Jahre verlängert und läuft bis zum März 2027. Können Sie bereits eine Halbzeitbilanz ziehen?
Crepaz: Wir haben uns in den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Infrastruktur viel vorgenommen und sind hierbei auf einem sehr guten Weg. Mit dem Jahrhundertprojekt ‚Festspielbezirk 2030‘, das ich verantworte, wird die Zukunft der drei Festspielhäuser, also die zentrale kulturelle Infrastruktur des Landes, gesichert. Das Projekt geht bis in das Jahr 2032. Wir befinden uns aktuell in der intensiven Planungsphase und werden im Herbst 2025 mit der Umsetzung starten. Für die Bauten wurde eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die im nächsten Jahr auch auf den Betrieb ausgeweitet wird.