Aus einem Spin-off der TU Wien wurde eines der führenden heimischen Unternehmen in der Raum- und Luftfahrt.
Netzwerk- und Steuerungstechnologie aus Österreich macht nicht nur Raumfahrzeuge, Raketen und die zukünftige Raumstation Lunar Gateway sicher, sondern wird etwa auch in Flugzeugen – wie dem Airbus 380 und dem Boeing Dreamliner –, bei Windkraftanlagen und in Autos eingesetzt. CEO und Gründer Georg Kopetz gründete das Wiener Unternehmen TTTech im Jahr 1998 gemeinsam mit seinem Vater, einem bekannten Informatiker, und Stefan Poledna, einem ehemaligen Studenten seines Vaters. Eine Technologie-Erfolgsstory.
TTTech widmet sich den unterschiedlichsten Geschäftsfeldern, von Raumfahrt, über Windkraft bis zu IoT-Lösungen. Wie kam ein solch breites Portfolio in den mehr als 25 Jahren seit der Firmengründung zustande?
Georg Kopetz: Wie der Name TTTech schon sagt, sind wir ein Technologieunternehmen. Aus einer Technologie ist eine Gruppe an Technologieunternehmen entstanden, die einen gemeinsamen Duktus haben, der sich mit zuverlässigen Vernetzungen und sicheren Steuerungen beschäftigt. Bei der Netzwerktechnologie, die man von der Telekommunikation her kennt, geht es um die Kommunikation von Computern in Maschinen bzw. deren Anwendungen miteinander, die man auf den ersten Blick von außen nicht sieht. In Flugzeugen und Raumfahrzeugen ist z.B. eine große Anzahl an Systemen verbaut, die miteinander kommunizieren und steuern. Diese Art von zuverlässiger Netzwerktechnik ist eine Stärke der TTTech. Ein anderes wichtiges Thema ist die damit verbundene sichere Steuerungstechnik. Die Steuerung und das Netzwerk hängen also in der Welt der intelligenten Maschinen eng zusammen. Seit 200 Jahren sind wir immer mehr in dieser Maschinenwelt angekommen, die jetzt durch die voranschreitende Automatisierung vor einer weiteren Revolution steht – der zunehmenden Autonomisierung; diese autonomere Arbeitsweise bietet Hilfe und Unterstützung für den Menschen. Letztlich geht es um die Produktivität von Arbeitsprozessen und in der Wirtschaft, und Produktivität ist der Treiber für Wohlstand und Volksvermögen. Wir versuchen, mit unseren sicheren Netzwerken und sicheren Steuerungen die Produktivität von Maschinen zu erhöhen und damit den allgemeinen Wohlstand zu steigern.
Sie sprechen viel von Sicherheit und Sie haben Referenzprojekte in vielen Branchen – ist das besonders relevant?
Kopetz: In den vergangenen 20 Jahren hat das Thema der Zuverlässigkeit und Sicherheit maßgeblich in der allgemeinen Maschinenwelt an Bedeutung gewonnen. Im Englischen stehen sowohl Security als auch Safety für das deutsche Wort Sicherheit. Safety bedeutet eigentlich, dass bei einem Systemausfall Menschen nicht zu Schaden kommen. Security heißt, dass niemand ein System von außen hacken, übernehmen und anders negativ beeinflussen kann. Sicherheit, also sichere Netzwerke und Steuerungen, ist eine Kernkompetenz unseres Unternehmens. Hier hält TTTech eine wichtige Marktposition, und wir versuchen im Bereich der Sicherheit immer an vorderster Front zu bleiben. Das hat auch sehr viel mit dem Thema Zertifizierung zu tun und der Weiterentwicklung unterschiedlicher Sicherheitsstandards. Die Raum- und Luftfahrt ist sicherlich ein Bereich, der ganz besonders für Sicherheit steht, denn Computer sollten dort immer zuverlässig funktionieren. Zuverlässigkeit ist aber auch in anderen Bereichen relevant: Wenn man autonome Maschinen entwickelt und baut, sollten die nicht am Feld oder auf einer Baustelle plötzlich stehen bleiben, weil ein Sicherheitsproblem aufgetaucht ist. Durch den zunehmenden Trend der Automatisierung und Autonomisierung der Maschinen gewinnt das Thema Sicherheit in beiden Aspekten der Safety und Security immer mehr an Bedeutung. Deshalb bespielen wir auch diese Breite an Themen und haben entsprechendes Anwendungswissen aufgebaut. Durch die Beschäftigung mit Anwendungen und Lösungen von Problemen hat sich aus der TTTech von 1998 eine Vielfalt an verbundenen Technologieunternehmen entwickelt, die in verschiedensten Märkten tätig sind: Luft- und Weltraumtechnik, industrielle Automation, aber auch die TTControl in der Spezialmaschinenbranche oder TTTech Auto in der Automobilindustrie.
Früher war die Welt der Computer und Maschinen getrennt. Hier gab es einen Paradigmenwechsel, in dem TTTech mittendrin steckte.
Kopetz: Wir sind ein Proponent dieser Entwicklung, denn wir sind der Meinung, viele Industrieunternehmen werden oder sind, auch in den Kernprozessen und Kernprodukten, Software-Unternehmen, gerade im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. Jedes Unternehmen kann mit seinen Daten und digitalem Know-how extrem viel Wert im Geschäftsmodell und beim Kunden schaffen. Das ist heute bereits oft etabliert. Die Herausforderung ist, dass einige unserer Kunden in bestimmten Geschäftsbereichen nicht die Struktur haben, um große Software-ntwicklungsmannschaften zu beschäftigen. Gerade durch neue Themen wie Safety und Cybersecurity, Cloud und Automatisierung von Maschinen gibt es einen großen Bedarf an kompetenten Technologieunternehmen.
Solche Technologien verortet man eher im Silicon Valley, bei der NASA oder Boeing. Weshalb stammen derartige Lösungen gerade aus Österreich?
Kopetz: Die Technologie ist immer international und hier sind wir bei vielen Themen global dabei. Unser Vorteil ist, dass wir ein Spin-off einer langjährigen Entwicklung sind, die in Österreich an der TU Wien begonnen hat. Mein Vater war Professor an der TU Wien und Institutsvorstand für Technische Informatik bzw. zuverlässige Computersysteme.
Ihr familiäres Umfeld hat Sie also beeinflusst?
Kopetz: Ja, mein Vater ist auch Mitbegründer des Unternehmens und mein dritter Mitgründer, Stefan Poledna, kam ebenfalls von diesem Institut. Es gibt hier eine starke wissenschaftliche Basis, die in Österreich über viele Jahre auch entsprechend gefördert wurde. Es gibt auch in der Europäischen Union viel Know-how, was Maschinentechnologie betrifft. Airbus ist ein gutes Beispiel und war auch Geburtshelfer der TTTech, denn wir sind aus einem EU-Projekt heraus entstanden, bei dem Airbus ein wichtiger Partner war. Unser erstes Projekt im Luftfahrtbereich betraf den Airbus 380, für den wir erstmals die Chips liefern und einsetzen konnten, die übrigens auch in Österreich, bei der ams Osram in Unterpremstätten produziert werden. Die Europäer sind im Bereich der Maschinentechnologie weltweit im Spitzenfeld. Wir wussten von Beginn an, dass sich TTTech global durchsetzen muss und kein Spieler im regionalen Bereich sein und sich nur auf die D-A-CH- Region beschränken kann. Deshalb haben wir im zweiten Jahr nach unserer Gründung die ersten Niederlassungen in den USA und in Japan gegründet, denn wir müssen dort sein, wo sich auch unsere Kunden befinden. Österreich ist als kleine offene Volkswirtschaft dafür prädestiniert, den globalen Blick zu haben. Gerade Wien als Standort hat zudem den Vorteil, dass Kunden gerne und durch gute Fluganbindungen auch problemlos nach Österreich kommen können. Zudem stimmt das Rahmenprogramm aus Kunst und Kultur. Österreich muss und wird im Technologiebereich eine globale Rolle spielen. Es gibt etwa extrem gute Maschinenbauunternehmen im Land, wie Palfinger, die wir zu unseren Kunden zählen dürfen.
Wo kommen TTTech-Komponenten zum Einsatz und weshalb sind hier Ihre Produkte herausragend?
Kopetz: Die Technologie an sich sind Kommunikationsprotokolle und Steuerungssoftware. Die kann man nicht sehen. Wir haben bemerkt, dass wir für gewisse Branchen eigene Chips entwickeln müssen, die wir sowohl in Europa, als auch in den USA fertigen lassen. Es stellte sich heraus, dass für gewisse Anwendungen Chips und Software nicht ausreichen, denn die Kunden möchten ein Subsystem, Elektronik, haben. Also begannen wir, Steuergeräte zu entwickeln, bei denen wir neben Chips, Software und Elektronik auch Gehäuse und Stecker liefern. Dort fühlen wir uns wohl, denn in manchen Bereichen sind die Stückzahlen nicht so groß, dass man nur mit Chips genügend Wertschöpfung erzielen kann. Die meisten Kunden bevorzugen den Erwerb eines ganzen Systems, also Chips, Soft- und Systemhardware.
In welchen Bereichen fehlt es in Österreich an Förderungen für Forschung und Entwicklung?
Kopetz: Es fehlt teilweise am Mut, Ideen und Technologien schnell in Produkte umzusetzen. Die Wertschöpfung wird ja nicht durch Förderungen erzielt, sondern durch den Verkauf von Produkten zu einem guten Preis und durch die Kunden, die zufrieden sind und die Produkte einsetzen. Wir stehen heute vor einigen Technologiezyklen, wenn wir über die Elektrifizierung und Automatisierung von Maschinen sprechen oder von der Vernetzung der Maschine mit der Cloud. Das erfordert auf allen Seiten hohe Investitionen. Hier fehlt auch ein wenig die Kapitalstärke, da in Europa nicht so viel mit Eigenkapital finanziert wird. Die Österreicher haben manchmal ihr Geld lieber auf dem Sparbuch und in Anleihen und investieren weniger in Aktien im Technologiebereich. Dadurch sind wir finanziell in Europa ein wenig gehandicapt.
Ist der Gang an die Börse für TTTech ein Thema?
Kopetz: Das ist immer wieder ein Thema gewesen, aber die Gelegenheit hat sich noch nicht wirklich ergeben. Es gibt keinen einfachen Weg an die Börse. Es gibt viele Vorgaben, die man erfüllen muss, um ein guter Börse-Kandidat zu sein. Auch das Umfeld ist wichtig. Ich trete sehr dafür ein, dass wir eine europäische Technologiebörse schaffen und uns von einem rein nationalstaatlichen Denken durch eine starke europäische Kapitalmarktunion lösen.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie daran denken, dass Ihre Bauteile zum Mond oder Mars fliegen?
Kopetz: Das ist sehr inspirierend. Wir haben bereits eine Mission zum Mond und mehrere Mondumrundungen mit unserer Technologie unterstützt. Es ist immer wieder schön zu sehen, dass eine Technologie, die wir entwickelt haben, auch umgesetzt wird. Das gibt sehr viel Motivation zum Weitermachen. Wir sind natürlich extrem fasziniert von den Weiten des Weltalls und wir arbeiten sehr intensiv am NASA Artemis-Programm und den entsprechenden Mondmissionen mit. Artemis ist ein Programm für die nächsten Generationen, das mehr als nur Raumfahrzeuge umfasst, sondern auch eine Raumstation im Mondorbit und weitere Aktivitäten an der Mondoberfläche und Exploration, vielleicht sogar bis zum Mars. Wir arbeiten an einem zentralen Baustein mit, nämlich an dem Datennetzwerk der Lunar Gateway-Station und der NASA Orion Raumkapsel, bei dem wir unsere Kerntechnologie einsetzen. Aber auch die neue europäische Trägerraketengeneration Ariane 6 oder ein Flugzeugprojekt, wenn es abhebt und fliegt, sind eine große Motivation. Besonders spannend ist es immer, wenn man selbst im Flugzeug sitzt, wie in einer Boeing 787 Dreamliner oder in einem Airbus 220 oder 380 und man weiß, dort kommen Bauteile der TTTech zum Einsatz.
Es ist ein weiter Sprung vom Weltall auf die Erde. Wie kam TTTech zum Geschäftsfeld mit erneuerbaren Energien?
Kopetz: Ich bin hier persönlich geprägt durch meinen Onkel Heinz Kopetz, der als ein Pionier der Nachhaltigkeit in Österreich gilt. Er hat bereits vor 40 Jahren Bücher über Nachhaltigkeit als Wirtschaftsprinzip geschrieben. Das Thema ist für die Menschheit und Europa extrem wichtig, da wir über keinen Planet B verfügen. Jedes Unternehmen muss sich die Frage stellen, was es zur Lösung des Problems der begrenzten Ressourcen und zur Reduktion der hohen CO2-Emissionen leistet. Für uns ist das Thema aus diversen Aspekten heraus interessant. Es gibt Kunden, die im Bereich Nachhaltigkeit tätig sind, wie Vestas, ein Weltmarktführer bei Windturbinen, der täglich Strom für Millionen Haushalte nachhaltig aus Windkraft produziert. Vestas nutzt Steuerungssysteme von TTTech. Wir haben auch bei der Elektrifizierung diverser Maschinen mitgewirkt, wie etwa bei Rosenbauer bei den Hybrid Firetrucks. Wir legen derzeit auch einen Schwerpunkt auf das Thema des dezentralen Energiemanagements. Durch den starken Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem der Photovoltaik, der wachsenden Anzahl an Ladestationen oder der Installation von Batterien und Wärmepumpen gibt es vermehrten Bedarf an einem robusten netzdienlichen Management des Zusammenspiels dieser Elemente. Hier sehen wir eine große Rolle für sichere Software, sichere Softwarelösungen, sichere Steuerungen und sichere Netzwerke. Wir bereiten gerade den Markteintritt von TTTech in diesen Bereich vor und wollen zumindest ein European Champion werden.