In keinem anderen Bundesland als der Steiermark wird, gemessen am Bruttoregionalprodukt, so viel in Hochschulen und Forschung investiert.
Barbara Eibinger-Miedl ist seit 2017 Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Regionen, Wissenschaft und Forschung. Die gebürtige Grazerin absolvierte Studien in Betriebswirtschaft und Rechtswissenschaften. Ganz oben auf der Liste der Landesrätin steht die „Wirtschaftsstrategie Steiermark 2030“ – einer der Eckpunkte für die wirtschaftliche Zukunft der Steiermark.
Sie schreiben auf Ihrer Website: ‚An kaum einem anderen Technologie- und Wirtschaftsstandort in Europa sind so viele weltweit erfolgreiche Unternehmen angesiedelt wie in der Grünen Mark.‘ Weshalb ist der Wirtschaftsstandort Steiermark derart attraktiv?
Barbara Eibinger-Miedl: Der entscheidende Erfolgsfaktor sind die Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Die Steiermark ist das Forschungsland Nummer eins in Österreich, in keinem anderen Bundesland wird, gemessen am Bruttoregionalprodukt, so viel in Forschung und Entwicklung investiert. Unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen arbeiten in den verschiedensten Bereichen eng mit den heimischen Unternehmen zusammen. Auch seitens meines Ressorts unterstützen wir dieses Miteinander gezielt, denn daraus entstehen innovative Produkte und Dienstleistungen, mit denen die steirische Wirtschaft weltweit erfolgreich ist.
Sie sind seit April 2017 Landesrätin, seither folgte auf die Coronapandemie der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, nun der Fachkräftemangel und die immer deutlicher spürbare Klimakrise. Hätten Sie sich ruhigere Jahre für Ihre Amtsführung gewünscht?
Eibinger-Miedl: Wenn man eine Regierungsfunktion übernimmt, dann ist klar, dass damit Herausforderungen verbunden sind. Aber ich hätte mir zu meinem Amtsantritt als Landesrätin nicht vorstellen können, mit derart einschneidenden Entwicklungen wie einer Pandemie und einem neuerlichen Krieg in Europa konfrontiert zu werden. Derartige Ereignisse erfordern rasches Handeln, aber auch die mittel- bis langfristigen Veränderungen wie die Energiewende oder der Arbeitskräftemangel brauchen nachhaltige Lösungen.
Wie erging es Ihnen mit diesen Herausforderungen, für die es ja keine Notfallpläne in der Schublade gab? Sind Improvisation und Troubleshooting Ihre Stärken oder eher ein notwendiges Übel?
Eibinger-Miedl: Meiner Meinung nach gehört ein hohes Maß an Flexibilität und Stressresistenz ohnehin zum Anforderungsprofil von Politikerinnen und Politikern. In den vergangenen beiden Jahren war aber auch ich persönlich sicher stärker gefordert und musste viel Resilienz zeigen.
Stellen Sie bitte kurz die wichtigsten Eckpunkte der ‚Wirtschaftsstrategie Steiermark 2030 – Neues Wachstum – Neue Chancen – Neue Qualität‘ vor.
Eibinger-Miedl: Die Strategie gibt den Rahmen für die Förderungsund Finanzierungsprogramme vor, mit denen wir die steirischen Betriebe unterstützen. Unser Ziel in den kommenden Jahren ist es, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu forcieren. Nachhaltigkeit verstehen wir dabei in einem sehr umfassenden Sinn. Klimaschonendes Wirtschaften spielt dabei ebenso eine Rolle wie unternehmerische Innovationen mit besonders großem Zukunftspotenzial. Wir werden uns dabei weiterhin auf die Stärkefelder der steirischen Wirtschaft – die Themen Mobilität, Grüne Technologien, Humantechnologie, Mikroelektronik, Export, Forschung und Entwicklung sowie die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – konzentrieren. Darüber hinaus arbeiten wir an Maßnahmen gegen den bestehenden Arbeitskräftemangel, an besseren Rahmenbedingungen für Start-ups und auch an unserer internationalen Positionierung.
Welchen Beitrag leisten Förderprogramme der EU zum Erfolg des Wirtschaftsstandorts?
Eibinger-Miedl: Einen sehr wesentlichen, was leider oft in Vergessenheit gerät. Die Europäische Union hat Österreich und der Steiermark viele wirtschaftliche Vorteile gebracht. Durch die EU-Förderprogramme konnten wichtige Infrastrukturprojekte umgesetzt, unsere Exporte deutlich gesteigert und Tausende zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Alleine aus dem für die Wirtschaft wichtigsten Fördertopf, dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung, hat die Steiermark seit dem österreichischen EU-Beitritt mehr als eine Milliarde Euro an Förderungen abrufen können, welche durch zusätzliche Ko-Finanzierungen von Bund und Land ein Vielfaches an Investitionen in den steirischen Unternehmen auslösten.
Die Breitbandinitiative der Steiermark soll bis zum Jahr 2030 flächendeckend hohe Datenübertragungsraten garantieren. Wie werden Sie das bewältigen bzw. kann das wirtschaftlich kostendeckend erfolgen? Soll die gesamte Fläche des Bundeslandes, also auch dünn besiedelte Gegenden, etc., abgedeckt werden?
Eibinger-Miedl: Die Versorgung mit Hochleistungsinternet ist aus meiner Sicht die Daseinsvorsorge des 21. Jahrhunderts. Seit der Coronapandemie gilt dies nicht mehr nur für Unternehmen, sondern genauso für private Haushalte. Insofern ist es eine unserer wichtigsten Aufgaben, die Steiermark möglichst flächendeckend mit der dafür notwendigen Infrastruktur auszustatten. Dort, wo es möglich ist, setzen wir auf Glasfaser. Mit der Gründung der Steirischen Breitband- und Digitalinfrastrukturgesellschaft ‚sbidi‘ haben wir hier in den vergangenen Jahren einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der Breitbandausbau bleibt auf unserer Agenda ganz oben, da wir in einigen ländlichen Regionen noch Aufholbedarf haben. Ich bin zuversichtlich, dass hier die nächsten Ausschreibungen des Bundes einen weiteren Schub bringen werden.
Sie unterstützen Unternehmen mit Ihrem Verfahrensservice. Welches sind hier die besonders gefragten Dienstleistungen?
Eibinger-Miedl: Das Service richtet sich an Unternehmen, die Großprojekte realisieren wollen. Im Wirtschaftsressort fungiert dabei ein Verfahrenskoordinator als zentraler Ansprechpartner für Investoren. In den meisten Fällen sind Informationen über notwendige Genehmigungen bei Betriebsansiedelungen oder -erweiterungen gefragt. Darüber hinaus wird die Vernetzung des Investors mit allen dafür zuständigen Stellen im Land Steiermark sowie Unterstützung bei der Vorbereitung der Anträge am häufigsten nachgefragt.
Die Steiermark verfügt über einige große Skigebiete. Wie begegnen Sie dem Problem, dass aufgrund des Klimawandels oft der Schnee ausbleibt? Ist künstliche Beschneiung der Ausweg?
Eibinger-Miedl: Die Steiermark ist ein traditionelles Wintersportland. Daher zählen Skifahren, aber auch zahlreiche andere Aktivitäten wie Langlaufen, Rodeln oder Schneeschuhwandern, zu unseren Säulen im steirischen Wintertourismus. Die klimatischen Entwicklungen erfordern leider Beschneiung, weshalb dahingehend in den vergangenen Jahren kräftig investiert wurde. Um ganzjährig für Gäste attraktiv zu sein, haben viele steirische Skigebiete darüber hinaus ihr Angebot erweitert.
Muss sich die Steiermark als Urlaubsziel neu positionieren? Welche Qualitäten der Steiermark als Urlaubsdestination sollen in den kommenden Jahren ausgebaut werden?
Eibinger-Miedl: Die Steiermark wird als Urlaubsland bei Gästen aus dem In- und Ausland seit vielen Jahren sehr geschätzt, das zeigt die positive Entwicklung bei den Gäste- und Nächtigungszahlen. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind die wunderbare Landschaft, das vielfältige Angebot, die steirische Kulinarik und die Herzlichkeit unserer Touristikerinnen und Touristiker. Auf diese Stärken werden wir weiterhin setzen und unser positives Image als das ‚Grüne Herz Österreichs‘ künftig noch intensiver über die Landesgrenzen hinweg in den Vordergrund rücken. Darüber hinaus werden wir das Thema Nachhaltigkeit im steirischen Tourismus noch stärker verankern und haben daher als erstes Bundesland Österreichs eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet.
Ihr Rezept gegen den Fachkräftemangel?
Eibinger-Miedl: Der steirische Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt. In vielen Bereichen haben wir nicht mehr nur einen Fachkräfte-, sondern bereits einen Arbeitskräftemangel. Dies liegt einerseits an der demografischen Entwicklung, die nun deutlich spürbar ist, aber andererseits auch am Wandel der Arbeitswelt, wie beispielsweise am Trend zur Teilzeitarbeit. Wir haben daher gemeinsam mit dem Arbeitsressort des Landes und den Sozialpartnern eine Arbeitsmarktstrategie für unser Bundesland erarbeitet. Diese hat zwei Stoßrichtungen: Einerseits wollen wir das Potenzial der in der Steiermark lebenden Menschen, etwa durch Aus- und Weiterbildung, weiter heben, und andererseits die Akquise internationaler Fachkräfte entsprechend verstärken.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen der kommenden Jahre? Welche Ziele stehen noch ganz oben auf Ihrer Liste?
Eibinger-Miedl: Wir leben in Zeiten eines tiefgreifenden Wandels, wenn ich beispielsweise an die digitale oder die grüne Transformation denke. Mir ist wichtig, die heimischen Unternehmen dabei zu unterstützen, diese aktuellen Veränderungen erfolgreich zu meistern und die damit verbundenen Chancen zu nutzen. Ein großes persönliches Anliegen ist mir außerdem die Stärkung von Orts- und Stadtkernen in der Steiermark. Ein auf Landesebene eingesetzter Ortskernkoordinator unterstützt seit einigen Monaten Gemeinden unter Einbindung der Bevölkerung dabei, Projekte zur Belebung ihrer Orts- bzw. Stadtkerne umzusetzen. Dies nützt der regionalen Wirtschaft und erhöht die Lebensqualität der Menschen vor Ort.