Unzählige Maschinen weltweit verwenden die Software von Copa-Data aus Salzburg, einem der seltenen Unicorns Österreichs.
Zu einer Zeit, als Computer noch keine alltäglichen Geräte waren, begann Thomas Punzenberger mit dem Aufbau von Copa-Data. Aus der kleinen Software-Firma wurde ein globales Unternehmen, das mit Automatisierungs- und Industriesoftware zu einem der seltenen österreichischen Unternehmen mit einem Wert von mehr als einer Milliarde Euro wurde – ein Unicorn. Derzeit beginnt Gründer Thomas Punzenberger die Übergabe seines Lebenswerks an die beiden Söhne und erklärt unter anderem, weshalb Copa-Data ein Familienunternehmen ohne jegliche fremde Kapitalbeteiligung bleibt.
Im Gründungsjahr 1987 waren die technischen Möglichkeiten noch ganz andere. Wie haben Sie in der digitalen Steinzeit begonnen, Ihre Software zu entwickeln?
Thomas Punzenberger: Wir haben damals bereits mit Windows begonnen, die Software zu entwickeln. Es war für mich klar, dass wir für diese Art der Applikation, deren Idee in unseren Köpfen herumgeschwirrt ist, eine grafische Benutzeroberfläche brauchen. Das war natürlich unendlich mühsamer zu entwickeln als heute, aber es hat funktioniert und wir konnten im Jahr 1992 die erste Version von zenon releasen und bei Kunden installieren.
Was steckt hinter der Softwareplattform zenon, und was macht Ihre Softwarelösung für die Industrie so erfolgreich?
Punzenberger: Begonnen hat alles als einfache Bedienoberfläche für technische Prozesse im Allgemeinen, zur Bedienung einer Maschine, von Anlagen wie Druckluftanlagen oder eines kleinen Kraftwerks. Das war der erste Kern, für eine Bedienoberfläche zur Interaktion mit technischen Geräten. Daraus hat sich später sehr viel mehr entwickelt, wie Alarmierung, ganze Alarmsysteme, Datenaufzeichnung, gesicherte Freigaben und alles, was in kritischer Infrastruktur nötig ist, um Schalthandlungen durchführen zu können. Daraus hat sich die Softwareplattform zenon entwickelt, die heute in den unterschiedlichsten Branchen für verschiedenste Aufgaben eingesetzt wird. Anfang der 2000er-Jahre haben wir zusätzlich ein Steuerungssystem entwickelt, sodass auch Steuerungsaufgaben, Regelungsaufgaben und mehr von zenon übernommen werden können. Das geht bis zur Historian-Aufzeichnung, also der Aufzeichnung von Daten, um gesetzlichen Auflagen Genüge zu tun. Wer hat wann was verändert oder bedient? Speziell im Pharma- Umfeld muss nachvollzogen werden können, dass keine Bedienfehler gemacht wurden und alles sauber dokumentiert wird. Dazu gehört auch die Analyse der Prozesse selbst, die Effizienz zu steigern und zu sehen, wo vielleicht Verbesserungen herstellbar sind.
Wie viele Unternehmen würden ohne Ihre Software stillstehen?
Punzenberger: Viele hätten auf jeden Fall keinen Strom mehr für ihre Computer. (lacht) Die genaue Anzahl kann ich nur schwer schätzen, aber es sind mehr als 5.000 weltweit.
In welchen Kernbranchen ist zenon im Einsatz?
Punzenberger: Wir sind in vier Kernbranchen tätig – in der Energiewirtschaft, in der Life Science & Pharma-Industrie und in den Bereichen Food & Beverage sowie der Automobilindustrie. Generell sind die Renewables seit jeher wichtig, vor allem die Wasserkraft, PV- und Windkraftanlagen. Dort ist zenon sehr weit verbreitet. Das betrifft etwa Umspannwerke. Im Life Science & Pharma-Bereich sind wir sehr stark im Packaging tätig, im sogenannten Secondary- Bereich, mittlerweile aber auch verstärkt in den Prozessen. In Food & Beverage sind die Applikationen ähnlich, hier geht es von der Schokoladenherstellung, dem Einpacken von Schokolade, dem Waschen und Abfüllen von Flaschen bis zum Etikettieren, Paketieren, Palettieren und zum Bierbrauen selbst. Wir arbeiten hier auch mit den Maschinenbauern zusammen, denn zenon läuft sehr häufig als Standardsoftware in den Maschinen für deren Kunden. Viele Endkunden wissen gar nicht, dass sie mit zenon arbeiten. Deshalb gibt es auch die weltweite Verbreitung von zenon, und wir selbst wissen oft gar nicht, wo zenon tatsächlich überall läuft.
Wie passen Ihre Leistungen für die Automobilindustrie dazu?
Punzenberger: Hier findet man zenon in der Produktion in den unterschiedlichsten Gewerken – vom Presswerk, über Rohbau und Karosserie bis zur Lackieranlage. Überall dort werden Anlagen von zenon gesteuert und betrieben. Wichtig ist auch der ZAÜ-Bereich (Zentrale Anlagenüberwachung, Anm.), wo wir die gesamte Steuerung und Überwachung der Produktion realisieren. Hier hat man einen gesamten Überblick über die Produktion an einem Standort. Das sind ziemlich anspruchsvolle Anwendungen, da hier enorm viele Daten zusammenlaufen. Das betrifft dann nicht mehr nur die einzelnen Gewerke, sondern auch die übergelagerte ZAÜ. Zusätzlich wird mit zenon als Energiedaten-Managementsystem häufig die gesamte Produktionsstätte visualisiert und analysiert: Wie steht es um die Energieversorgung des Gebäudes, oder wie effizient läuft die Produktion? Dabei handelt es sich zum Teil um riesige Anlagen, die oft erst nach und nach entstehen.
Kommt eigentlich jeder Österreicher mit zenon indirekt in Berührung?
Punzenberger: Das kann man so sagen. Schon durch die Stromversorgung hat jeder damit zu tun oder jeder, der schon Mineralwasser oder ein Bier getrunken hat. Überall dort ist zenon im Spiel.
Was hat zenon weltweit derart erfolgreich gemacht? Copa-Data wird ja nicht das einzige Unternehmen gewesen sein, das in den vergangenen Jahrzehnten Industriesoftware entwickelt hat.
Punzenberger: Wir haben von Beginn an eine andere Strategie verfolgt als andere Anbieter. Bei uns war das Motto immer ‚Projektieren statt Programmieren‘. Das war anfangs ein eher unpopulärer Ansatz, da speziell die amerikanischen Systeme einen anderen Zugang gewählt hatten, der immer wieder sehr viel an Programmiercode für die Realisierung der Projekte erfordert. Im Endeffekt hat sich die Hartnäckigkeit durchgesetzt, den Weg des einfachen Projektierens zu verfolgen. Heute gehen große Normungsbestrebungen wie MTP (Module Type Package, Anm.) genau diesen Weg, Dinge zu modularisieren, zu kapseln und in Einheiten wie Black Boxes zu verpacken. Wie die Black Box im Inneren funktioniert, ist dabei egal und man kann sich darauf verlassen, dass alles funktioniert. Darin befindet sich ein Prozessor und eine eigene Logik, um die sich der Kunde nicht kümmern muss. Diese fertigen Komponenten kann man mit Lego-Bausteinen vergleichen. Das wird sich in der Industrie in Zukunft noch stärker verbreiten, denn alle stöhnen und ächzen unter dem Fachkräftemangel und es hat niemand mehr die Kapazität oder die Zeit, alles neu zu konstruieren. Man muss auf fertige Komponenten zurückgreifen und das spiegelt sich auch in der Software wider. Die Anwender wollen Plug and Produce, und das System soll fertig sein. Die Endanwender selbst sind dann in der Lage, Automatisierungsprojekte aufzubauen, ohne einen Automatisierer dabei zu haben. Es ist alles bereits so gut vorbereitet, dass sie die Komponenten selbst zusammenstoppeln können – sie orchestrieren gewissermaßen eine modulare Gesamtanlage.
Gehen Ihre kommenden Entwicklungen bei der Automatisierung in Richtung KI? Müssen wir uns vor KI fürchten?
Punzenberger: zenon ist ein Software-Werkzeug, das man großartig für verschiedenste Aufgaben nutzen kann. Die KI wird unser Leben grundlegend verändern, vielleicht so stark wie es das Internet getan hat. Auch KI kann primär als Werkzeug genutzt werden, um uns das Leben zu erleichtern und eventuell den Mangel an IT-Entwicklern zu kompensieren. Wir haben ein Projekt am Laufen, um – mit KI gesteuert – einen Assistant für unsere Software aufzubauen, sodass man über Fragen sofort zu Engineering-Lösungen auf unserer bereits sehr mächtigen Plattform kommt. Dort hilft KI uns und unseren Kunden enorm weiter. Was ich sehr kritisch sehe, sind KI-generierte Bilder, Video- und Audio-Dateien und Text. Hier müsste ganz dringend eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden, denn damit kann man extrem viel Unfug anstellen. Mit Zertifikaten kann man da sehr weit kommen, einen 100%-igen Schutz wird man nie erreichen.
Sie bereiten derzeit die Übergabe Ihres Unternehmens an die nächste Generation vor. Ist das ein einfaches Procedere? Ist der Vater der große Guru, der den Jungen etwas beibringen kann?
Punzenberger: Der große Guru war ich nie. Meine Söhne haben gesagt, dass sie das Unternehmen weiterführen wollen, und wir sind gerade dabei, die beiden Söhne anzuboarden. Bisher läuft das recht harmonisch, aber natürlich gibt es Diskussionen, das ist klar.
Sie sind sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, dass Copa- Data eines der raren Unicorns mit einer Bewertung von einer Milliarde Euro ist. Weshalb ist Ihnen das nicht so wichtig?
Punzenberger: Das ist nur eine virtuelle Bewertung. Es ist nett, wenn man das gesagt bekommt, aber es hat keinen wirklichen, realen Wert. Den Wert würde es bekommen, würde man die Bewertung realisieren. Bisher war uns immer die Unabhängigkeit als Familienunternehmen viel wichtiger. Und die Möglichkeit, eigene Ideen zu realisieren, ohne dass wir auf einen Kapitalgeber Rücksicht nehmen müssen. Das ist vielleicht auch die Antwort darauf, was Copa-Data anders macht. Wir haben die Möglichkeit und auch das Durchhaltevermögen, Innovationen länger als zwei Jahre voranzutreiben. Der klassische Zeitraum eines Kapitalgebers sind zwei Jahre, in denen man beweisen muss, dass Geld verdient werden kann. Ansonsten wird die Idee wieder eingestampft. So erging es vielen unserer Mitbewerber. Wenn wir an eine Idee glauben, bleiben wir hartnäckig und arbeiten auch mal fünf Jahre sukzessive daran. Wir sind profitabel und verdienen unser Geld, damit haben wir die Möglichkeit, unsere Strategie mittel- und langfristig anzulegen.