aspern Seestadt als ideales Beispiel für einen neuen Stadtteil

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Leben und arbeiten wie an einem Urlaubsort, der gleichzeitig ein Magnet für neue Forschungseinrichtungen und Unternehmen ist.

Im Jahr 2010 wurde damit begonnen, am Gelände des ehemaligen Flugfelds Aspern einen neuen Stadtteil Wiens zu errichten. Das hochgesteckte Ziel: Mit einer Gesamtinvestition von rund 5 Mrd. € Wohnraum für mehr als 25.000 Menschen und 20.000 potenzielle Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Dabei wurde von Beginn an auf die Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht und die nahtlose Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz Wert gelegt. Gerhard Schuster ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender der Wien 3420 aspern Development AG, kennt „seine“ Seestadt wie kein anderer – und kann nach rund zehn Jahren auf spektakuläre Erfolge verweisen.

Wie weit ist der Ausbau von aspern Seestadt gediehen?
Gerhard Schuster: aspern Seestadt ist heute zu mehr als einem Drittel realisiert. Nach dem Pionierquartier und dem Seeparkquartier sowie einem Wirtschaftsquartier mit dem Schwerpunkt technologische Innovation, Produktion und Handwerk südlich des Sees wurde bereits das erste Quartier am Nordufer weitgehend fertiggestellt. Es heißt Quartier ,Am Seebogen‘ und erstreckt sich von der U2-Station Seestadt östlich und westlich der U-Bahn-Hochtrasse entlang des Elinor-Ostrom-Parks in Richtung Norden.
Gegenwärtig leben mehr als 11.000 Menschen in der Seestadt, mehr als 25.000 werden es sein, wenn die Seestadt in den frühen 2030er-Jahren vollständig entwickelt ist. Gleichzeitig freuen wir uns bereits über 500 Unternehmen am Standort, vom EPU bis zum internationalen Technologieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. In Summe üben heute ca. 5.000 Menschen in der Seestadt ihren Beruf aus. Unser Ziel ist es, über 20.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze im Stadtteil ermöglicht zu haben, wenn unsere Entwicklungstätigkeit abgeschlossen ist. Mit zwei Bildungscampussen der Stadt Wien – der dritte wird bereits geplant – einem Bundesschulstandort, zwei Privatuniversitäten und der Zentralberufsschule für bis zu 7.000 Schüler, die 2028 in Betrieb gehen soll, ist die Seestadt als Bildungsstandort schon heute eine echte Größe, nicht nur innerhalb der Donaustadt. Mehrere universitäre Kooperationen mit Fokus auf Manufacturing und IoT sowie Mobilitätsforschung mit der TU Wien schaffen überdies starke Impulse für das F&E-Ökosystem.

Welches sind die größten Herausforderungen, vor denen aspern Seestadt bei ihrer Entwicklung in den kommenden Jahren steht?
Schuster: Wir werden das neue regionale Zentrum im Nordosten Wiens. Das heißt, wir dürfen nicht nur an die Bedürfnisse der Bewohner bzw. der lokalen Wirtschaft denken. Wir haben einen größeren Horizont ins Auge zu fassen, sei es im Bereich Mobilität, sei es die Energieversorgung, die soziale Infrastruktur und vieles mehr. Eine echte Herausforderung sind daher der Ausbau und die Vernetzung der verschiedenen Infrastrukturen. Die Seestadt wächst nördlich des Sees weiter, und wir richten gerade sehr viel Aufmerksamkeit in Richtung unseres großen Verkehrsknotens Aspern Nord. Dort haben wir bereits seit 2018 einen großen Umsteigebahnhof, der die Bahnverbindung von Hütteldorf im Westen Wiens über den Hauptbahnhof bis Bratislava mit dem Wiener U-Bahnnetz verbindet. Außerdem haben hier mehrere Bus-Linien ebenfalls ihre Station. Ab Herbst 2025 wird auch die erste von zwei Straßenbahnlinien hier ihre Schleife haben. 2026 kommt die neue Anbindung über die leistungsfähige Stadtstraße. All diese Planungsprozesse der Stadt Wien und der großen Infrastrukturträger Wiener Linien, Österreichische Bundesbahnen und der Autobahngesellschaft Asfinag gilt es mit unserem Ausbau zu koordinieren. Wir lasten dabei mit dem Planungsaufwand und unseren laufenden Bauarbeiten die Ressourcen am Markt ordentlich aus. Die Wertschöpfung in der Bauwirtschaft und bei allen Zulieferern ist gewaltig.
Wir arbeiten übrigens immer unter der Prämisse, dass schon beim Bau auf maximale Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und vor allem CO2-Vermeidung geachtet wird, wir entwickeln und verbessern Nachhaltigkeitsstandards und kooperieren mit den unterschiedlichsten Forschungsinstitutionen und Verbänden. Außerdem möchten wir noch viel mehr als bisher ein Treiber der Digitalisierung in der Bau- und Immobilienwirtschaft sein, weil wir hier den großen Hebel für den Klimaschutz sehen; die Kooperation mit dem Innovationslabor ‚Digital findet Stadt‘ ist deshalb sehr wichtig für uns.

Was macht die Seestadt zu einem Wirtschaftsstandort mit Zukunft?
Schuster: Unsere besonderen Lagequalitäten! Wir haben hervorragend erschlossene und in einen Masterplan eingepasste Platzreserven und wir sind ausgezeichnet angebunden. Man ist vom Zentrum der Seestadt in 20 Minuten am Praterstern oder am Hauptbahnhof. Andererseits bietet die Seestadt hohe Lebensqualität für die Menschen, die hier arbeiten. Die in den nächsten Jahren entstehende, lebendige Waterfront an der U2-Station wird mit ihren Lokalen und Shops für perfekte Mittagspausen oder After Work-Atmosphäre sorgen. Und schon heute bieten die Lokale und Geschäfte einen attraktiven Mix. Hinzu kommen diverseste Kinderbetreuungsangebote, modernste Schulen und attraktive Wohnungen. Vor allem aber sind wir sehr stolz, dass sich bereits eine bunte Palette an Unternehmen in der Seestadt angesiedelt hat.

Wie schwierig ist es, vor allem Unternehmen – produzierende und forschende – von einer Ansiedlung in der Seestadt zu überzeugen? Gibt es Incentives?
Schuster: Die Wirtschaftsagentur Wien machte den Anfang, indem sie als allererstes Gebäude der Seestadt den Bauteil 1 des Technologiezentrums errichtete. Momentan wird unter Hochdruck am dritten von fünf geplanten Bauteilen gearbeitet, und die Liste der Mieter ist wirklich beeindruckend. F&E wird hier großgeschrieben. Die Pilotfabrik für Industrie 4.0 machte im ‚tz1‘ den Anfang und vernetzt seit Jahren Wissenschaft und Wirtschaft bei angewandter Forschung. Seit zwei Jahren ist auch das European Institute for Technology im ‚Osteuropa-Hub‘ des Bereichs Manufacturing, im ‚tz2‘, beheimatet. Es nutzt und erweitert dabei das Seestädter Innovationsnetzwerk. Inzwischen hat sich aus diesem Ökosystem im Bereich Life Sciences ein regelrechter Sog entwickelt. Ein Biotech-Unternehmen forscht und produziert bereits seit zwei Jahren in der Seestadt, ein weiteres hatte 2023 seinen Baustart und ein drittes plant gerade seinen ersten Produktionsstandort.

Zielen Sie bei den Unternehmen, die sich in der Seestadt ansiedeln sollen, vor allem auf Start-ups?
Schuster: Wir als Stadtentwickler zielen nicht ausschließlich auf sie ab, da uns die Durchmischung wichtig ist. Aber wir schätzen ihren Drive und ihr Potenzial und sehen uns sehr wohl als Enabler. Die vielen Angebote der Wirtschaftsagentur Wien – von der Förderberatung, etlichen Calls bis zur Startup-Academy im Technologiezentrum – sind außerdem extrem wertvoll. Ich kann Start-ups nur immer wieder raten, sich mit den vielen Services auseinanderzusetzen und sich das Know-how abzuholen. Mit dem neuen Gewerbehof Seestadt ist nun auch ein perfekter Standort für Handwerksbetriebe und produzierende KMU am Start. Eine Top-Ausstattung, effiziente Raumpläne, geteilte Nebenräume, ein großer unterirdischer Ladehof und vieles mehr machen aus ihm den idealtypischen Standort der produktiven Stadt.

Was macht die Seestadt als Forschungsstandort derart attraktiv? Es existieren bereits Einrichtungen der TU, aber auch forschende Biotech-Unternehmen. Gibt es weitere Projekte und Ansiedelungen in der Zukunft?
Schuster: Zu allererst ist es eben das hervorragende Angebot im Technologiezentrum Seestadt der Wirtschaftsagentur selbst, das sicher überzeugt. Die Gebäude sind ideal ausgestattet, Innovatoren können hier Piloten entwickeln und dabei auf das Know-how der Universitäten zugreifen und finden so leicht Kooperationspartner und Synergien, wie kaum irgendwo sonst.

Bei der Planung der Seestadt wurde von Beginn an Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Was ist hier bisher die größte Errungenschaft und gibt es in diesem Bereich geplante Leuchtturmprojekte?
Schuster: Von Beginn weg war das Massenmanagement extrem umsichtig und konsequent aufgesetzt. Der Grundgedanke war, dass so wenig Material wie möglich aus der Seestadt hinaus bzw. herein transportiert werden soll. So wurden etwa allein 600.000 Tonnen Aushub für den See vor Ort für den Bau zwischengelagert oder gleich in einem eigenen Betonwerk verarbeitet. Sogar die abgebrochenen Landebahnen konnten recycelt und vor Ort wieder verarbeitet werden. Wir evaluieren gerade wieder unsere Zahlen, aber 2020 hielten wir bei rund 280.000 eingesparten Lkw-Fahrten und geschätzt 6.000 Tonnen an CO2, das vermieden werden konnte.
Mit unseren verpflichtenden Qualitätsstandards wie dem Total Quality Building-Monitoring System der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB) oder neuerdings dem Gebäudestandard aspern klimafit schaffen wir flächendeckend ein Level an Nachhaltigkeit, das mit Sicherheit in Österreich einzigartig ist. Aktuell gehen unsere Anstrengungen ganz gezielt in Energielösungen, die uns im Norden weitgehend unabhängig vom Fernwämenetz machen sollen. Energiequartierslösungen werden die Zukunft der Stadtentwicklung prägen und hier wollen wir absolute Treiber sein.

Erklären Sie bitte kurz, wie die ‚erste gemanagte Einkaufsstraße Österreichs‘ funktioniert bzw. gemanaged wird.
Schuster: Kurz gesagt haben wir von Anfang an bestimmte Zonen definiert, in denen Retail- und Gastronomieschwerpunkte entwickelt werden sollen, also Einkaufsstraßen. Diese liegen zentral in den Quartieren, sind perfekt öffentlich angebunden und laden zum Flanieren und Radfahren ein. Die Sockelbereiche haben verpflichtend eine Höhe von mindestens vier Metern, das ist wegen der Nutzungsoffenheit wichtig. In bestimmten, hochfrequenten Abschnitten dieser Einkaufsstraßen bzw. an neuralgischen Punkten sind wir gemeinsam mit unserem Joint Venture-Partner Spar European Shopping Centers GmbH als Einkaufsstraßengesellschaft sowohl Raummieterin als auch Vermieterin an sogenannte Shop-Partner. So konnten wir von Anfang an und auch in der schwierigen Phase der Coronapandemie dafür sorgen, dass ein gesunder Nahversorgungs- und Gastromix immer gewährleistet ist. Wir übernehmen dabei einige zentrale Management- und Serviceleistungen für unsere Partner und achten darauf, dass die Bewohner und Beschäftigten gut und immer besser versorgt sind.

Können Sie in Zeiten der explodierenden Mietkosten leistbaren Wohnraum langfristig garantieren?
Schuster: Die Seestadt ist ein extrem beliebter Wohnort und ein sehr gesuchtes Investment. Deshalb ist es bisher nie schwierig gewesen, leistbaren Wohnraum in vielfältigsten Formen mit und ohne Förderung auf sehr hohem Niveau anbieten zu lassen.
Unser Masterplan bzw. unsere Verwertungspläne sehen vor, dass wir in Summe rund zwei Drittel leistbaren, geförderten Wohnraum schaffen. Dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit der Stadt Wien im Bereich der Planung und der sozialen Infrastruktur und der entsprechenden Investitionssicherheit für gemeinnützige Bauträger sehe ich da sehr optimistisch in die Zukunft. Die Seestadt wird leistbar bleiben, ohne auf ihre Qualitätsansprüche zu verzichten.

Warum sollte man in der aspern Seestadt wohnen – welches sind für Sie die besten drei Gründe?
Schuster: Das Lebensgefühl ist einzigartig, und viele Bewohner vergleichen es mit Urlaub. Die Infrastruktur ist hervorragend, und was man nicht direkt in der Seestadt findet, ist dank der ausgezeichneten Anbindung leicht erreichbar. Und die wirtschaftliche Dynamik ist so groß, dass das Jobangebot vor der Haustür praktisch täglich wächst.