Bei Patenten rangiert Österreich weltweit auf Platz zehn

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Seit 2015 lenkt Mariana Karepova die Geschicke des Österreichischen Patentamts und kann – trotz Krisen – Erfolge vermelden.

Innovationen aus Österreich können sich international durchaus sehen lassen: Zuletzt wurden mehr als 11.000 Patente pro Jahr angemeldet, was weltweit den zehnten Platz – und in der EU den fünften Rang – ergibt. Auch die Coronapandemie konnte Innovationen aus Österreich nicht stoppen, ganz im Gegenteil. In Zukunft möchte die Leiterin des Patentamts, Mariana Karepova, vor allem vermehrt Erfinderinnen ermutigen, Innovationen anzumelden.

Wir haben zwei Jahre Pandemie hinter uns. Waren die Menschen und die Unternehmen innovativ? Haben sie ihr geistiges Eigentum vermehrt oder – einfacher gesagt – gab es mehr oder weniger Patente und Marken?

Mariana Karepova: Von einer einheitlichen Diagnose für internationale Patente (IP) insgesamt kann man hier nicht sprechen, die Entwicklungen sind auseinandergelaufen: Während es mehr Markenanmeldungen gab, stagnierten die Patente. Zuletzt wurden weltweit 11.031 Patente ‚Made in Austria‘ angemeldet. Damit sind wir zwar in der EU auf Platz fünf und weltweit an die zehnte Stelle vorgerückt, aber insgesamt gab es weniger Patentanmeldungen, sowohl beim Österreichischen Patentamt als auch international. Das liegt daran, dass die Pandemie das Leben und Wirken in den Unternehmen herausfordernder gemacht hat, dass die Schritte nach dem Erfinden, also die Absicherung, die Patentierung, vernachlässigt wurden. Dennoch passiert in der Innovationsszene ungebremst viel. In die Forschung hat Corona kein Loch gerissen – etwas, was wir auch bei der Forschungsförderung sehen: Im ersten Pandemiejahr hat die FFG um 35 Prozent mehr Firmenprojekte gefördert. Und Forschung, Entwicklung und Innovation sind natürlich Vorboten von Patenten. Uns war es wichtig, genau zu verstehen, wie es unseren Kunden in der Krise gegangen ist und wie wir ihnen durch diese Talsohle helfen können. Daher haben wir gemeinsam mit dem Joanneum Research 500 Unternehmen und Forschende befragt – über ihre Strategien in der Krise und danach. Für 61 Prozent der Befragten ist die Pandemie ein Treiber für die Erschließung neuer Märkte und für neue, ganz bestimmte Patente auf Innovationen im Softwarebereich und mehr Marken für ihre digitalen Geschäftsmodelle. Am optimistischsten sehen Start-ups die Zukunft: 70 Prozent rechnen mit einem Anstieg ihrer Marken- und Patentanmeldungen.

Betrifft diese Tendenz alle oder gibt es Unterschiede?

Karepova: Merkbare Einbrüche beim Patentieren gab es in erster Linie bei den KMU, während die Patentprofis, die großen Unternehmen, weiter zugelegt haben. Wie die steirische AVL List, die seit 2012 unser Unternehmensranking anführt, zuletzt mit einem Alltime- high von 205 neu angemeldeten Erfindungen 2021, gefolgt von den beiden Vorarlberger Unternehmen Julius Blum GmbH mit 70 und Zumtobel mit 34 Erfindungsanmeldungen.

Firmen in schwierigen Zeiten tendieren dazu, das Patentieren als längerfristige Sicherungsmaßnahme auf die lange Bahn zu schieben. Was kann man dagegen tun?

Karepova: Dass das Patentieren in Zeiten von Produktions- und Lieferproblemen auf der Strecke bleibt, ist eine verständliche, aber eine sehr riskante Vorgangsweise. Ich sollte das Patentieren nicht zu lange aufschieben. Denn vielleicht ist inzwischen die Erfindung nicht mehr neu, jemand anderer hat diese Lösung schon patentiert oder die Öffentlichkeit hat schon davon erfahren. Damit gibt es dann kein Patent mehr. Ich kann meine Innovation nicht mehr schützen und mein Wettbewerbsvorteil löst sich in Luft auf.

Wir versuchen, gegen die Krise zu steuern. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem EUIPO, dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum, haben wir den Schritt zum Patent und zur Marke für KMU besonders günstig gemacht. Unsere KMU und Start-ups sparen bis zu 50 Prozent bei nationalen Patenten und bis zu 75 Prozent bei Marken – die Förderaktion gilt das ganze Jahr. Ein österreichisches Patent kostet seit 2022 nur 275 Euro. Das ist die Hälfte der üblichen Gebühr. Eine österreichische Marke kostet mit dieser Förderung 71 Euro.

Es ist nicht nur so günstig wie noch nie, es ist auch so einfach wie noch nie: Das gesamte Angebot des Patentamts ist online zugänglich. Gerade der erste Schritt ist bei uns besonders einfach – im Grunde genügt eine hingekritzelte Skizze, damit wir ins Gespräch kommen. Wir schauen uns gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden alle Entwürfe an und sagen ihnen, wie die Chancen auf Patente und Marken stehen und was die beste Strategie ist. Das bringt die KMU dazu, sich so zu verhalten, wie die Profis, das heißt, ihr strategischen geistiges Eigentum nicht zu gefährden.

Österreichische Firmen agieren sehr international. Was ist die beste Strategie für ihr geistiges Eigentum in einem globalen Umfeld?

Karepova: Es gibt ein Patentrezept, das wir den Firmen mitgeben: Mein Produkt oder Verfahren muss ich dort absichern, wo ich produziere. Also dort, wo ich riskiere, dass schon in der Produktionshalle zu viele Informationen offen da sind, dass das Rezept meines Produkts nachgemacht und rausgetragen werden kann. Absichern muss ich auch dort, wo ich verkaufe – banal gesagt dort, wo die Menschen mein Produkt auseinandernehmen und nachahmen können. Das ist zwar schwieriger, je komplexer die Technologie ist, aber im Endeffekt nie auszuschließen. Und last but not least: Dort, wo meine Konkurrenten sind, also jene, von denen ich nichts Gutes erwarte. Diese drei Aspekte müssen berücksichtigt werden, wenn ein Unternehmen überlegt, in welchen Ländern es die Patente anmelden sollte.

Ein nationales Patent muss nicht immer im Spiel sein, wenn ich im Vorhinein weiß, dass der Fokus meiner Tätigkeit global ist. Es ist aber ein guter Ausgangspunkt, um zu sehen, ob die Innovation neu und erfinderisch ist, ob sie überhaupt patentiert werden kann, bevor es auf die internationale Reise geht. Viele österreichische Marktführer wählen diesen Weg und sichern ihre wichtigsten und grundlegendsten Technologien, die Kronjuwelen, zunächst am Standort ab. Als Österreichisches Patentamt möchten wir den Firmen ein Rüstzeug geben, um ihr geistiges Eigentum genau dort zu sichern, wo sie es brauchen. Das heißt, egal, ob sie in Österreich oder in Europa Patente und Marken anmelden, mit einer fundierte Recherche unserer Expertinnen und Experten liegen sie nie falsch.

Wir haben 236 Expertinnen und Experten für Patente, Marken, Designs, Künstliche Intelligenz, Software, Maschinenbau, Pharmazie, Elektrotechnik und jedes andere technische Gebiet, ein großes Beratungsangebot und Förderprogramme wie den Patent Scheck sowie Workshops in der IP-Academy für IP-Profis sowie Einsteigerinnen und Einsteiger.

Unter Ihren Kunden sind, wie Sie erwähnt haben, zahlreiche große Spitzenunternehmen und IP-Profis – darauf können Sie stolz sein. Was sehen Sie als Hürde für die kleineren, jüngeren Firmen? Sind sie genug abgesichert in ihrem geistigen Eigentum?

Karepova: Die Hürden sind wenig Zeit, unverständliche Informationen, fehlende Zugänglichkeit der Patentämter und Förderagenturen und Geldmangel. Das zu ändern, ist unser größter Ansporn. Und ich kann dazu sagen, dass wir da schon ziemlich weit sind. Früher waren Patentämter ehrwürdige, aber verschlossene Einrichtungen, bei denen ich meine Unterlagen eingereicht habe und irgendwann ein Ja oder Nein gekommen ist – also eine Art Blackbox. Wir haben Wände niedergerissen und unsere Türen weit aufgemacht. Jeder kann kommen. Wir urteilen nicht nur über das Werden oder Nicht-werden von Patenten und Marken. Unsere Experten sind jederzeit zugänglich für Beratungen auf jedem Niveau und in jedem Stadium, in dem sich ihre Innovation gerade befindet. Wir helfen Forscherinnen und Forschern, Studierenden, Start-ups und Unternehmen, ganz egal, ob sie ihre Schutzrechte bei uns anmelden oder nicht.

Was wird in Zukunft wichtig sein?

Karepova: Extrem wichtig für unsere Kunden, aber auch für das ganze österreichische Innovationssystem, ist das ‚Leben danach‘ – also das Leben nach dem Patent. Ich habe ein Patent – und jetzt? Wie bringe ich meinen Prototypen zum Markt? Wie schaffe ich einen erfolgreichen Technologietransfer? Wie kann ich wichtige, nützliche Technologien anderer Marktteilnehmer finden und akquirieren? Was müssen Patente in offenen Netzwerken leisten? Und ganz banal, aber sehr wichtig: Wie viel wert ist mein Patent überhaupt? Diese Themen sind relativ neu für das Geschäft der Patentämter, aber damit wollen wir uns in Zukunft stärker beschäftigen.

Frauen und Patente, ist das immer noch ein seltenes Paar?

Karepova: Ja, beim Patentieren haben wir noch immer ein Genderproblem. In nur sieben Prozent der Patentanmeldungen beim Österreichischen Patentamt sind Frauen als Erfinderinnen genannt. Das ist sehr wenig und das hat sich auch über die Jahre hinweg nicht geändert – leider. Ein vollständiges Bild haben wir zwar nicht, da es bei uns keinen Zwang gibt, in einer Patentanmeldung Erfinder oder Erfinderin zu nennen, aber bei ca. 60 Prozent der Patentanmeldungen, in denen Erfinder genannt wurden, ist das so.

Die Ursachen sind faktischer, psychologischer und gesellschaftspolitischer Natur: Frauen scheuen oft im Beruflichen davor zurück, etwas aktiv für sich in Anspruch zu nehmen; sie sind seltener Unternehmerinnen und sie lassen sich oft von großen Vorbildern einschüchtern.

Das Patent ist ein Mythos für sich: Die großen, berühmten Erfinder, meist Männer, schrecken Frauen eher ab. Sie nehmen sich schneller aus dem Spiel. Viele denken: Ich bin doch kein Einstein, kein Newton, keine Marie Curie, um eine Erfinderin zu nennen. Selbst wenn Frauen etwas Gescheites in der Hand haben, zögern sie und lassen es nicht mal prüfen. Das sehen wir zum Beispiel an den Patent-Schecks: Ein verschwindender Anteil kommt von Frauen. Wenn es darum geht, vorsorglich zu erfahren, ob ein Patent drinnenstecken könnte, kommen Männer zu uns, nicht Frauen.

Ein weiterer Grund: Patente entstehen vor allem in Projekten, in Netzwerken. Wir konnten beobachten, dass, je größer und gewachsener die Netzwerke in Unternehmen sind, desto weniger Frauen werden in den Patenten erwähnt.

Natürlich gibt es auch objektivere Gründe: Österreichs Wirtschaft fußt vor allem auf sehr männerlastigen Industriezweigen – das schlägt sich in Patenten nieder: Kurz gesagt – wir haben viel Maschinenbau, ein Bereich, in dem sehr viele Männer tätig sind, und weniger Biotechnologie oder organische Chemie, wo die Frauenanteile viel höher sind.

Fast wichtiger als Rollenbilder ist das Umfeld. Die Patentwelt ist eine Männerwelt – kaum Patentanwältinnen, kaum Patent-Ingenieurinnen, kaum Anwältinnen. Bei uns im Patentamt sind wir bereits bei insgesamt 50/50 – darauf sind wir stolz. In der Patentprüfung sind es jedoch nur 24 Prozent Frauen – das ist viel besser, als sonst in der Patentwelt, aber lange nicht dort, wo man sein sollte.