Das vielfältige Niederösterreich steht vor großen Aufgaben

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Digitalisierung, die Energiekrise, Inflation – das Land Niederösterreich steht in den kommenden Jahren vor etlichen Herausforderungen.

Landesrat Jochen Danninger ist in Niederösterreich gleich für mehrere Ressorts zuständig. Seit Februar 2020 hat der heute 47-Jährige die Agenden für Wirtschaft, Tourismus und Sport übernommen. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Uni Wien war Danninger unter anderem Staatssekretär im Finanzministerium und Kabinettschef im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten.

Wie geht es Niederösterreich nach den Pandemiejahren und jetzt in der Energiekrise?

Jochen Danninger: Die Energiekrise und die Teuerung stellen die Betriebe in Niederösterreich vor enorme Herausforderungen. Das Megathema der kommenden Monate und Jahre sind die massiven Folgen des Krieges in der Ukraine: Explodierende Energiepreise, galoppierende Inflation und die problematische Abhängigkeit Österreichs vom russischen Gas. Das sind drei Probleme, für die es keine einfachen Lösungen gibt, die wir aber in den Griff bekommen müssen. Kurzfristig brauchen wir daher Wirtschaftshilfen für unsere Betriebe, mittel- und langfristig müssen wir massiv in den Ausbau der erneuerbaren Energien investieren. Wir müssen auch die heimischen Potenziale von Grünem Gas, vor allem Biomethan, aber in Zukunft auch Wasserstoff, rasch heben, um die Energieimporte zu verringern und die Versorgungssicherheit zu erhöhen.

Hat sich der Wirtschaftsstandort Niederösterreich in diesen Jahren verändert?

Danninger: Unser Ziel war und ist es, dass Niederösterreich aus der Coronakrise stärker, innovativer und digitaler herauskommt. Besonders im Bereich Digitalisierung hat sich in den letzten Jahren viel getan. Viele unserer Unternehmen stellen sich der Digitalisierung auf beeindruckende Art und Weise. Prozesse werden optimiert, Abläufe digitalisiert, und den Mitarbeitern wird ein immer attraktiver werdendes Arbeitsumfeld geboten. Wir unterstützen in meinem Wirtschaftsressort mit gezielten Maßnahmen wie dem Fördercall ‚digi4Wirtschaft‘, wo wir bisher rund 20 Millionen Euro an Fördermitteln ausgeschüttet haben, damit sich unsere Betriebe ‚digifit‘ aufstellen konnten.

Was auffällt, sind die Forschungs- und Bildungsprojekte, die in Niederösterreich in den vergangenen Jahren entstanden sind. Sind das die Assets für die Zukunft?

Danninger: Niederösterreich ist ein international attraktiver Hotspot für Wissenschaft und Forschung und hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu einer innovativen Region im Zentrum Europas entwickelt – eine prosperierende Entwicklung, die möglich ist, weil wir Wissenschaft und Forschung nicht in den Labors hinter verschlossenen Türen verstecken, sondern weil wir sie den Menschen zugänglich und erlebbar machen. Und eine Entwicklung, die eine wesentliche Grundlage für die zukünftige Entwicklung unseres Wirtschaftsstandorts bildet. Eckpfeiler sind unter anderem die vier Technopolstandorte und die sechs Technologieund Forschungszentren im ganzen Land. Der Schlüssel zum Erfolg ist die enge Verbindung von Wirtschafts- und Technologiepolitik, um die heimischen Unternehmen bei ihren Innovationsvorhaben zu unterstützen und damit im Wettbewerb zu stärken. Unser wesentliches Anliegen ist es, unseren Forschern ein inspirierendes Umfeld und bestmögliche Rahmenbedingungen zu bieten, damit sie auch zukünftig mit ihrer Innovationskraft Niederösterreich als Wirtschaftsstandort stärken und weiterentwickeln.

Wie wichtig ist der Gesundheitssektor in NÖ, vor allem bei modernster Forschung?

Danninger: Die Bedeutung der heimischen Gesundheitswirtschaft ist durch die Coronapandemie noch stärker in den Fokus gerückt. Hier unterstützen wir im Rahmen der ecoplus-Plattform für Gesundheitstechnologie, um diesem wichtigen Zukunftsthema einen zusätzlichen Schub zu verpassen. Ein Ziel ist es, ein Instrument zu schaffen, das unter anderem dazu beitragen soll, Niederösterreich unabhängiger von Produzenten medizinischer Produkte außerhalb Europas zu machen. Zusätzlich wird die Rolle Niederösterreichs als Top-Technologiestandort nachhaltig gefestigt. Die Gesundheitstechnologieplattform ist für uns ein wichtiger Meilenstein, um dieses Zukunftsthema in Niederösterreich voranzutreiben und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu verbessern.

Der Tourismus spielt keine zu vernachlässigende Rolle. Hat er sich nach den Pandemiejahren erholt?

Danninger: Das Virus hat den jahrelangen Erfolgskurs bei den niederösterreichischen Tourismuszahlen stark gebremst. Jetzt kommen wir dem Vorkrisenniveau aber schon sehr nahe – auch, weil viele Gäste aus dem Ausland wieder gerne nach Niederösterreich kommen. Die wunderschönen Landschaften Niederösterreichs, das gute Essen und die hochwertigen Weine, das attraktive Angebot für Rad- und Kultururlaub wird von den Menschen geschätzt und gerne angenommen. Für den Herbst 2022 bekamen wir sehr positive Signale, was den Wirtschaftstourismus betrifft. Seminare, Tagungen und Geschäftsreisen werden wieder vermehrt durchgeführt, und dies schlägt sich hoffentlich auch bald in unseren Tourismuszahlen nieder.

Wie sehr wird der Klimawandel auch den Tourismus verändern?

Danninger: In der aktuellen Sommersaison 2022 verbindet bereits jeder vierte Gast die Eigenschaft ‚nachhaltig‘ mit Niederösterreich. Die unberührte Natur und die schönen Landschaften waren in der Sommersaison für 60 Prozent der Gäste das wichtigste Argument, den Urlaub hier bei uns in Niederösterreich zu verbringen. Damit Nachhaltigkeit nicht nur ein Schlagwort bleibt, arbeiten wir laufend intensiv an der Umsetzung von praktischen Maßnahmen. Die öffentliche Erreichbarkeit von Ausflugs- und Urlaubszielen ist ein großes Thema. In einem neuen Living Paper ‚Nachhaltigkeit im Tourismus‘ werden aktuell die Leitziele für einen nachhaltigen Tourismus in den nächsten Jahren erarbeitet.

Ein Drittel der Wirtschaftsleistung entfällt auf die Industrie. Ist sie bereits nachhaltig und klimafit? Gibt es in diesem Bereich Initiativen?

Danninger: Ja, unsere Industriebetriebe haben in den letzten Jahren viel investiert, um sich ressourcenschonender aufzustellen. Sie sind Teil der Lösung und nicht des Problems. Als Land Niederösterreich legen wir aktuell einen Schwerpunkt auf eine klimafitte Wirtschaft und setzen auf Beratungen und Förderungen: Wir investieren heuer deutlich mehr in die Beratung von Betrieben, die sich energieeffizienter aufstellen wollen. Mit dem Öko-Bonus unterstützen wir Investitionsprojekte, die einen Nachhaltigkeitsaspekt aufweisen – wie insbesondere die Revitalisierung von stillgelegten Betrieben oder die unmittelbare, nachhaltige Schaffung von mehr als zehn Green Jobs.

Wie geht die Digitalisierung voran?

Danninger: Digitalisierung ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Unternehmen möchten Digitalisierung aktiv für sich nutzen und durch die Pandemie wurde dieser Trend noch weiter verstärkt. Daher setzt das Land Niederösterreich ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um die digitale Transformation der heimischen Wirtschaft zu beschleunigen und die Betriebe auf ihrem Weg zu unterstützen, wie mit der sehr erfolgreichen Förderaktion digi4Wirtschaft oder dem Leuchtturmprojekt der Digitalisierungsstrategie des Landes Niederösterreich, dem Haus der Digitalisierung – Anfang 2023 wird es in Tulln eröffnet.

Immer wieder monieren Unternehmer die lange Dauer von Behördenverfahren, vor allem im Energiebereich. Was wird hier derzeit getan?

Danninger: Die Dauer eines Behördenverfahrens ist von vielen Faktoren abhängig. Die Qualität der eingereichten Unterlagen, die Anrainersituation und die gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen sind nur drei Beispiele für Einflussfaktoren auf die Verfahrensdauer. Niederösterreich setzt sich laufend dafür ein, dass die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen für Genehmigungen von Anlagen gestrafft und vereinfacht werden. Auf landesgesetzlicher Ebene wurden in den letzten Monaten gerade im Energierechtsbereich wichtige Schritte gesetzt, etwa durch die Genehmigungsfreistellung von Photovoltaikanlagen bis zu einer Größe von einem Megawatt.

Sie haben ein besseres Service für Gründer präsentiert. Können Sie bereits eine Bilanz ziehen? Geht diese Initiative weiter?

Danninger: Das Gründerland Niederösterreich trotzt der weltweit angespannten wirtschaftlichen Lage. Zwischen Anfang Jänner und Ende Juni wurden 3.456 neue Unternehmen gegründet. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2019, also noch vor Corona, bedeutet das ein Plus von sechs Prozent! Jede fünfte Unternehmensneugründung österreichweit findet in Niederösterreich statt. Diese Gründungen wollen wir umfassend bei ihrem Wachstum unterstützten, unter anderem mit riz up, der Gründeragentur des Landes Niederösterreich. Zudem haben wir Anfang des Jahres unseren Gründerzuschuss von 1.200 Euro auf 2.000 Euro erhöht – damit wollen wir das Gründerland Niederösterreich weiter stärken.