Der heimliche Kreativ- und IT-Hotspot Österreichs

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Abseits des Mozart-Images hat sich Salzburg in den vergangenen Jahren mithilfe der Innovation Salzburg zum Tech-Standort entwickelt.

Neuen und bestehenden Unternehmen mit diversen Unterstützungsleistungen das Leben zu erleichtern, ist nur eine der Aufgaben der Innovation Salzburg GmbH. Zudem wirbt man im Ausland um Fachkräfte und supportet Forschung und Wissenschaft. Auch Kreativwirtschaft und Filmschaffende zählen zur Klientel der Standortagentur, ein Unternehmen von Land Salzburg, Stadt Salzburg, Wirtschaftskammer Salzburg und Industriellenvereinigung Salzburg. Geschäftsführer Walter Haas kann auf erstaunliche Erfolge und Hidden Champions in „seinem“ Bundesland verweisen und hat auch für die Zukunft eine Menge an Plänen für den Wirtschafts- und Forschungsstandort.

International verbindet man mit Salzburg Mozart, ‚The Sound of Music‘ und Berge. Hat Salzburg eine Image-Korrektur nötig, um sich als Wirtschaftsstandort zu positionieren?
Walter Haas: Im Tourismus und bei der Kultur ist Salzburg sehr sichtbar, international erfolgreich und im Spitzenfeld unterwegs. Was man in Salzburg durch die Dominanz von Kunst, Kultur und letztendlich des Tourismus verkennt, ist die starke Forschungs- und Innovationskompetenz. Wir haben viele Hidden Champions, die für sich Weltmarktführer, aber als Marke nicht besonders sichtbar sind. Wir haben uns in den Jahren 2016/17 mit dem Thema Forschungsund Innovationsstandort Bundesland Salzburg sehr intensiv befasst und uns mit einer neuen Wissenschafts- und Innovationsstrategie völlig neu aufgestellt. Hier ist ein zentrales Thema, dass wir das andere Salzburg herausarbeiten. Wir kommunizieren viele Leistungen unserer Hidden Champions und wir holen sehr viele Technologieunternehmen, die bei uns schnell wachsen, vor den Vorhang. Salzburg ist einer der wichtigsten Headquarter-Standorte in Österreich, Unternehmen managen zum Teil nicht nur das nationale Geschäft, sondern auch jenes für Europa und weltweit. Wir haben einen sehr intensiven und pulsierenden Kreativwirtschaftssektor. Salzburg ist also ein gut diversifizierter und erfolgreicher Wirtschaftsstandort, der nicht immer sichtbar ist. Beim Bruttoinlandsprodukt sind wir Nummer eins unter den österreichischen Bundesländern und unter den Top 20 der 250 europäischen Regionen. Wir hatten im Jahr 2022 die niedrigste Arbeitslosigkeit in ganz Österreich, eine sehr hohe Arbeitsproduktivität, und im Tourismus sind Tirol und Salzburg ganz weit vorne. Salzburg ist also schon ein sehr kräftiger Wirtschaftsstandort.

Wie erreichen Sie eine höhere Sichtbarkeit von Unternehmen und setzen Sie einen Schwerpunkt etwa auf den Hightech-, IToder den Biotech-Bereich?
Haas: Wir haben uns zu einer intelligenten Profilbildung des Standorts bekannt, und es gibt fünf Felder, die wir intensiv verfolgen und in denen Salzburg stark ist – das sind Life-Sciences, die Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Datenforschung, der Kreativ-, Kunst- und Kultursektor, aber auch Tech for Green, also intelligente Lösungen für die grüne Transformation. Hier dreht sich bei uns viel um das Thema Bauen und nachhaltige Materialien, primär im Bereich Holz. Und wir konzentrieren uns sehr stark auf das Thema intelligenter Tourismus, Sport- und Freizeitwirtschaft mit Know-how und Technologie. Das sind jene Profile, die wir forcieren, wo wir Tech-Unternehmen im Hintergrund haben und wo wir über passende Forschung und Ausbildung verfügen. Genau in dem Dreieck Bildung, Forschung und Wirtschaft entsteht die Standortqualität für die wissensintensiveren Unternehmen und genau hier setzen auch unsere Weiterentwicklungen an. In diesem Zusammenspiel entsteht Innovation, und Wissen wird zu Prozessen, Produkten und Dienstleistungen.

Martin Klässner von Make Visions meinte, Salzburg sei ein guter IT-Standort, weil es wenig Wettbewerb gäbe. Sehen Sie das auch so?
Haas: Wir haben in Salzburg sehr gute IT-Ausbildungen, in denen Nachwuchs herangezogen wird. Es gibt in Salzburg aber genauso einen IT-Fachkräftemangel wie in ganz Europa- und weltweit. Wir sehen, dass die Ausbildung bei uns vor Ort und die Attraktivität als Arbeitsstandort relativ gut funktionieren. Man sieht, dass Investitionen in die Bildung fruchten. Wir haben an der Fachhochschule und der Universität unsere Kernausbildungen im IT-Bereich und wir sehen, dass das nicht nur für etablierte Unternehmen ein sehr guter Wachstumsmotor ist, sondern auch für viele Start-ups, die daraus entstehen. Die Salzburger Schwerpunkte liegen im Bereich der Datenforschung und Geoinformatik einerseits und Industrieinformatik, Automatisierung und Cybersicherheit mit einem Fokus auf sichere Energieinformatik andererseits. Das sind unsere wichtigsten Assets.

Was zeichnet den Wirtschaftsstandort Salzburg aus?
Haas: Ich denke, dass die Standortattraktivität, die gute geografische Lage, verbunden mit kurzen Wegen für Entscheidungen und raschen Zugängen zu Wissen, sicher wesentliche Faktoren sind. Die starke Marke Salzburg, eine Kreativszene und die Freizeitqualität sind eine gute Mischung, die auch junge Menschen anzieht, auch wenn wir bei Kunst und Kultur ein anderes Image haben.

Sie begleiten Unternehmen ‚auf dem Weg in die Zukunft‘. Wie sieht das aus?
Haas: Von der ersten Idee und einem Unternehmen, das gegründet wurde, bis hin zum etablierten Unternehmen – von der Tischlerei ums Eck bis zu unseren Leitunternehmen wie Red Bull und Palfinger – können alle zu uns kommen bzw. sind bei uns eingebunden. Als Innovationsagentur sind wir ein One-Stop-Shop, wobei wir versuchen, Unternehmen auf dem Weg in die Zukunft zu begleiten. Das gilt auch für Unternehmen aus dem Ausland. Wenn Investitionen, Forschungs- und Innovationsprojekte oder Standortsuchen anstehen, wenn es Fragen zu Schutzrechten, Förderungen und Finanzierungen gibt, bekommen Unternehmen alles Nötige, um ihre Business-Idee einfacher zu realisieren. Wir stellen die Lösung in den Vordergrund und versuchen, den Betrieben alle Zutaten für ihr Rezept, das wir oft auch gemeinsam entwickeln, in die Hand zu geben. In der Regel wird gemeinsam ein Projekt definiert, für das wir auch attraktive Finanzierungen und Förderungen von Bund, Land und EU aufsetzen und es begleiten. Wir haben in Salzburg ein sehr gutes Innovationsökosystem aufgebaut. Start-ups, etablierte Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen und viele mehr arbeiten über unser Netzwerk zusammen. Menschen, die mit ihren Projekten einen Sprung in die Zukunft machen wollen, bekommen bei uns auch den Zugang zu dem benötigten Wissen oder zu Entwicklungspartnern aus den Hochschulen und Universitäten. Wir können das mittlerweile mit Partnern österreichweit und in ganz Europa über kurze, schnelle Wegen anbieten.

Eines Ihrer Themen ist Support für Forschung – wie sieht dieser aus?
Haas: Wir haben seit 2016 unsere Wissenschaftsinnovations-Strategie WISS, in der festgelegt ist, was wir bei der Innovation und in der Forschung erreichen wollen. Damit verbunden, hat das Land Salzburg auch ein sehr konsequentes Investitions- und Förderprogramm gestartet und eine Servicestelle für alle Forschungs- und Innovationsanliegen im Bundesland eingerichtet, die sich bei uns im Haus befindet. Sie ist ein One-Stop-Shop für Forschende. Seit 2016/17 haben wir mehr als 200 Projekte auf den Weg gebracht, 180 Millionen Euro Investitionen in Forschungseinrichtungen und in der Wirtschaft damit ausgelöst und unterstützen rund 200 Forschungsarbeitsplätze. Da ist sehr viel passiert. Hier kommen Forschende aus Universitäten, Hochschulen und Unternehmen mit spannenden Projekten zu uns, bei denen wir wie ein kleiner Inkubator helfen, ein Projektvorhaben in ein Arbeitsprogramm und eine Kalkulation zu übersetzen und das passende Förderprogramm sowie bedarfsbezogen Partner zu finden. Gute Ideen und qualitätsvolle Ansätze, die dem Standort etwas bringen, können schnell realisiert werden. Die größte Forschungsförderung im Bundesland Salzburg mit zehn Millionen Euro ging an die Universität Salzburg, um hier einen Forschungsschwerpunkt an der neuen Fakultät für digitale, analytische Wissenschaften aufzubauen. Dazu gehören insgesamt sieben neue Professuren im Bereich Künstliche Intelligenz und Digitalisierung und ein Research College für 20 junge Nachwuchswissenschaftler. Das geht hin bis zu kleineren Projekten wie etwa in der Bauwirtschaft, wo wir uns mit den Themen CO2-neutrales Bauen und Recycling-Beton befassen. Das ist ein breites Feld, und in Salzburg ist da in den vergangenen Jahren sehr viel in Bewegung gekommen.

Wie greifen Sie Kreativschaffenden unter die Arme?
Haas: Salzburg hat den zweithöchsten Anteil an Kreativunternehmen in ganz Österreich. Salzburg ist in Österreich der wichtigste Medienstandort, mehr als 50 Prozent der Erlöse im Bereich der Filmwirtschaft werden hier erwirtschaftet. Das hat vor allem damit zu tun, dass bei uns Red Bull Media verortet ist. Deshalb haben wir in Salzburg auch einen ganz starken Kreativwirtschafts-Cluster, der in ganz Österreich für Wertschöpfung sorgt. Es gibt rund 3.250 Kreativunternehmen, in der Stadt Salzburg ist das bereits mehr als jedes zehnte Unternehmen. Wir sind also sehr gut aufgestellt, und Salzburg ist ein Kreativ-Hotspot. Wir erleben durch die digitale Transformation, dass jedes Unternehmen in gewisser Weise zu einem Kommunikationsunternehmen wird und in digitale Prozesse und Soziale Medien weltweit eingebunden ist. Neben Red Bull ist auch Sony ein Leitunternehmen, und es gibt viele digitale Agenturen. Unterstützungsprogramme bieten wir bei Gründungen im Kreativbereich an, zudem gibt es viele kleine Kreativunternehmen, die zur Umsetzung ihrer Projekte Kooperationen brauchen. Wir bieten Programme zur Geschäftsmodellentwicklung und Unterstützung bei Kooperationsmodellentwicklung an.

Vor allem Wien wirbt immer damit, eine perfekte Film-Location zu sein. Was hat Salzburg zu bieten?
Haas: Die Filmlocation Salzburg bietet einen One-Stop-Shop für alle Filmprojekte, von der Location-Suche, der Servicierung der Projekte vor Ort, Förderung und Finanzierung bis hin zur erfolgreichen Realisierung. Salzburg ist ein sehr attraktiver Filmstandort, und wir können viele spannende Kulissen im gesamten Bundesland anbieten. In den vergangenen 20 Jahren gab es an die 180 Filmprojekte, die mithilfe der Filmförderung des Bundeslands Salzburg realisiert wurden. Wir machen auch Werbung im Ausland dafür, dass Filmproduktionen nach Salzburg kommen. Das ist natürlich auch ein Rieseneffekt bei der Positionierung und der Standortvermarktung und bringt Wertschöpfung.

Was sind die größten Herausforderungen der kommenden Jahre für den Wirtschaftsstandort und wie überzeugen Sie Fachkräfte, damit sie nach Salzburg zu kommen?
Haas: Wir haben eine sehr gute geografische Lage zwischen Wien, München und Mailand. Wir haben zudem nachgewiesen eine sehr hohe Attraktivität als Arbeitsstandort. Die Riesen-Challenge derzeit ist das Thema Fachkräfte und die Ausbildung der zukünftigen Fachkräfte. Wir bauen Studienangebote aus und richten sie nach dem Bedarf der Wirtschaft aus. Wir haben die Initiative ‚Work in Salzburg‘ gegründet, eine noch sehr junge Initiative, die Salzburg als Arbeitsstandort sichtbar macht und sich an ausländische Fachkräfte in gewissen Zielmärkten richtet. Vor allem versuchen wir, mit der Darstellung unserer Hidden Champions Jobs im MINT-Bereich zu vermitteln. Salzburg bietet als Arbeitsstandort viele Chancen, da es viele spannende, attraktive Unternehmen gibt. Auch bei ausländischen Fachkräften steht die Unterstützung wieder im Rahmen eines One-Stop-Shop im Fokus. Wenn Studierende nach ihrem Abschluss hierherkommen möchten, unterstützen wir das Onboarding, wir haben ein Welcome Service und helfen beim Abklären von Rechtsfragen. Dabei sind wir auch im Bund mit der Rot-Weiß-Rot-Card gut aufgestellt. Um das Bleiben am Standort zu erleichtern, gibt es Expat-Stammtische, und wir unternehmen immer wieder etwas mit unseren Internationals in Salzburg. Diese Initiative wird in der nächsten Zeit noch massiv ausgebaut. Es ist eine Challenge, für junge Menschen, für kreative und kluge Köpfe und für gut ausgebildete Talente ein spannender Standort zu sein und eine lokale Szene zu bieten. Das ist unsere Mission, die wir versuchen bestmöglich umzusetzen.