Der Wirtschaftsmotor von Niederösterreich

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Die Wirtschaftsagentur ecoplus sorgt für Betriebsansiedelungen jeder Größe und stellt mit Wirtschaftsparks die Infrastruktur für Unternehmen.

Pandemie, Lockdowns, Energiekrise – die Herausforderungen könnten derzeit für ecoplus, die Wirtschaftsagentur des Landes Niederösterreich, nicht größer sein. Doch auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wurden im ersten Halbjahr 2022 mehr als 50 nationale und internationale Unternehmen nach Niederösterreich geholt. Seit 19 Jahren lenkt Helmut Miernicki die Geschicke der Wirtschaftsagentur.

Sie feiern kommendes Jahr das 20. Jubiläum als Geschäftsführer
von ecoplus. In den turbulenten vergangenen drei Jahren war
Ihnen sicher nicht langweilig?

Helmut Miernicki: In den vergangenen 19 Jahren war es nie langweilig. Es ist der schönste Job, den ich mir vorstellen kann, da die Aufgaben dermaßen vielfältig, breit gestreut und aktuell sind. Deshalb war in den bald 20 Jahren kein einziger Tag uninteressant. Die vergangenen drei Jahre waren aber nicht nur eine Herausforderung. Es gab während der Pandemie etwa auch das Revival der Regionalität. Hätte ich mir eine solche Entwicklung erwartet? Vor 19 Jahren nicht. Ich habe mich damals als Geschäftsführer der ecoplus beworben, weil ich sie als spannende Gesellschaft wahrgenommen habe. Dieser Eindruck hat sich bestätigt. Es ist eine spannende Arbeit.

Hat sich in den vergangenen drei Jahren durch die Pandemie und die Energiekrise die Aufgabenstellung für ecoplus verändert?

Miernicki: Wir mussten neue Wege gehen. Beim ersten Lockdown im Jahr 2020 haben wir sofort auf unserer Homepage die Möglichkeit für den heimischen Online-Handel geschaffen, sich listen zu lassen und so die Bekanntheit zu steigern. Es waren die Geschäfte geschlossen und wir wollten verhindern, dass alle zu ausländischen Onlineriesen abwandern. Wir haben quasi über Nacht neue Angebote geschaffen. Wir hätten uns vor vier Jahren nicht gedacht, dass wir beim regionalen Handel gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Angebote schnüren, die sehr gut angenommen wurden. Es gab nicht nur das Thema Pandemie, sondern bereits davor das massiv gewachsene Umweltbewusstsein. Deshalb haben wir neue Förderprogramme, wie zum ressourcenschonenden Bodenverbrauch, ins Leben gerufen. Das war natürlich ein längerer Prozess.

Hätten Sie sich einen derartigen Entwicklungsschub bei Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Regionalität je vorstellen können?

Miernicki: Es ist unglaublich, was die Lockdowns bei der Digitalisierung ausgelöst haben. Aber wir haben bereits vor der Pandemie auf unser ‚Haus der Digitalisierung‘ gesetzt. Wir bekommen sehr positives Feedback von jenen Handelsbetrieben, die auf unserer Homepage gelistet sind. Diesen Turbo bei der Digitalisierung, der Nachhaltigkeit und der Entwicklung hin zur Regionalität hätte es ohne Pandemie sicher nicht gegeben.

Welche Hebel setzen Sie an, um den Wirtschaftsstandort Niederösterreich zu stärken?

Miernicki: Das ist unser Service. Wir haben in der ecoplus hervorragende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die jedes Unternehmen, das in Niederösterreich tätig ist oder das sich für den Wirtschaftsstandort interessiert, äußerst kompetent und unbürokratisch betreut. Wir organisieren Round Tables zum Thema Förderungen oder wir führen Standortbesichtigungen vor Ort durch. Unternehmen, die sich für einen Standort in Niederösterreich interessieren, sollen das Gefühl haben, dass sie herzlich willkommen sind. Und jene Unternehmen, die bereits bei uns tätig sind, erhalten unsere vollste Wertschätzung. Der Kunde ist bei uns König und unsere Kunden sind die Betriebe und die Gemeinden.

Zum anderen stellen wir generell eine Top-Infrastruktur zur Verfügung, nicht nur in unseren Wirtschaftsparks. Es ist unglaublich, was etwa an neuen Verkehrswegen und an Bildungsinfrastruktur geschaffen wurde. Es ist aber auch die Lebensqualität in Niederösterreich und sie war immer schon ein wichtiger Faktor bei Betriebsansiedelungen. Die Führungskräfte von Unternehmen wollen dort leben, wo es schön ist und wo es eine soziale Unterstützung für die ganze Familie, wie Schulen, gibt. Außerdem sind es unsere kurze Entscheidungswege. Wir können relativ rasch beurteilen, was z.B. an Förderungen möglich ist und was nicht. Diese Vorteile sind schon ein Asset und ein gutes Angebot, das wir als Wirtschaftsstandort machen können.

Kümmern Sie sich um alle Arten und Größen von Betrieben?

Miernicki: Absolut, bei uns gibt es keine Einschränkungen in Bezug auf Brachnen oder Gewerke, sondern jedes Unternehmen ist willkommen. Bei unserer Tochterfirma ‚riz up‘-Gründungsagentur wird jeder und jede Gründungswillige bestmöglich betreut.

Begleiten Sie die Unternehmen den gesamten Weg von der Gründung, der Standortsuche bis hin zur Gewerbeanmeldung?

Miernicki: Wenn ein Unternehmen das möchte und braucht, dann machen wir das. Wir begleiten sie zu den Bausprechtagen auf den Bezirkshauptmannschaften, bei der Einreichung. Wir verstehen uns als Full Service-Agentur. Bei den Start-ups haben wir die Gewerbeanmeldungen gemeinsam mit der Wirtschaftskammer unter der Marke ‚Gründerland Niederösterreich‘ gebündelt. ‚riz up‘ ist eine 100 Prozent-Tochter der ecoplus und der Wirtschaftskammer. Wir begleiten Unternehmer auf Wunsch bei allen Schritten.

Welche Kosten fallen für die Unternehmen dabei an?

Miernicki: Alle unsere Services sind gratis.

Da drängt sich die Frage auf, wie sich ecoplus finanziert?

Miernicki: Es gibt zwei Finanzierungsschienen, zwei Rechnungskreise. Wir bekommen pro Jahr 29 Millionen Euro Regionalfördergeld vom Land Niederösterreich zur Verwaltung. Hinzu kommen etwa sechs Millionen EFRE-Mittel (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, Anm.). Dieses Geld fließt in geförderte Projekte, in Cluster- und in Technopol-Initiativen. Der zweite Rechnungskreis sind die Einnahmen aus unseren Wirtschaftsparks, bei denen wir wie ein privater Immobilienanbieter ohne einen Cent öffentliches Geld agieren. Was wir dort investieren, müssen wir auch selbst erwirtschaften. Aus beiden Töpfen wird zum Teil das Personal bezahlt, der Werbeaufwand, die Fahrzeugflotte, Abgaben, etc.

Wie ist es gelungen, im ersten Halbjahr 2022 insgesamt 58 neue Betriebe in Niederösterreich anzusiedeln und Standorterweiterungen anzustoßen?

Miernicki: Das Besondere an dieser Zeit ist, dass es Unsicherheiten und Herausforderungen gibt. Andererseits ist die Wirtschaft Österreichs im ersten Halbjahr 2022 um sechs Prozent gewachsen. Die Industrie boomt, das Baugewerbe war gut ausgelastet, es gab noch nie so viele Beschäftigte wie derzeit. Deshalb konnten wir diese Halbjahresbilanz ziehen. Mit Boehringer Ingelheim gab es die bisher größte Betriebsansiedelung in Niederösterreich. Boehringer Ingelheim wird 1,2 Milliarden Euro in eine Pharma- Produktion in Bruck an der Leitha investieren, zudem konzentriert Ankerbrot seine Backtätigkeiten im Bezirk Wiener Neustadt. Das zeigt, dass wir mit unserem Standortangebot in Niederösterreich interessant sind. Diese Unternehmen könnten sich überall ansiedeln. Bei Boehringer Ingelheim waren wir mit vier Staaten im Wettbewerb, doch die Entscheidung ist für Niederösterreich gefallen.

Weshalb gerade für Niederösterreich?

Miernicki: Weil wir mit der Infrastruktur des Wirtschaftsparks Bruck an der Leitha ein Top-Angebot gelegt haben. Wir konnten die entsprechenden Flächen zur Verfügung stellen, die Boehringer Ingelheim jetzt und in Zukunft für Erweiterungen benötigt. Bei der nachhaltigen Energieversorgung ist ein Top-Angebot vorhanden. Das war dem Unternehmen sehr wichtig, da sie eine Green Factory errichten wollen, die aus erneuerbarer Energie gespeist wird. Außerdem ist die Verkehrsanbindung hervorragend. Deshalb ging Boehringer nicht nach Spanien, nicht nach Deutschland und nicht in die USA, sondern nach Bruck an der Leitha.

Wenn man Ihnen zuhört – Sie sprühen vor Enthusiasmus. Was fasziniert Sie so an Ihrem Job?

Miernicki: Wie eingangs gesagt, ist jedes Projekt anders als das vorhergehende und als das nächste. Die Beispiele wie eine Pharmaund Brotproduktion zeigen, dass das Land Niederösterreich nicht nur sehr schön ist, sondern über eine enorme Vielfalt verfügt. Wenn ich das Wiener Umland mit seinem Bevölkerungswachstum und den Verkehrsherausforderungen mit dem Alpenvorland vergleiche, wo in Annaberg-Mitterbach eine einklassige Volksschule existiert, ist das eine unglaubliche Vielfalt.

Das hält Sie auch jung?

Miernicki: Ich hoffe! Aber das müssen Sie meine Frau fragen. Ich fühle mich nicht viel anders als vor 19 Jahren, als ich bei ecoplus begonnen habe. Ich schau‘ ein bisschen anders aus. Es macht wahnsinnig viel Spaß.

Gibt es noch immer die legendäre Rivalität zwischen den Niederösterreichern (‚G’scherte‘) und den Wienern (‚Großkopferte‘)?

Miernicki: Das ist heute kein Vergleich zu früher. Wir arbeiten hervorragend mit den Kolleginnen und Kollegen bei der Wiener Wirtschaftsagentur zusammen. Man hat in den vergangenen Jahren erkannt, dass sich der Standortwettbewerb nicht zwischen Floridsdorf und Hagenbrunn abspielt, sondern der Wiener Raum ist im Wettbewerb mit Prag, München oder Budapest. Wir achten in Wien und Niederösterreich darauf, dass wir den Unternehmen als Gesamtregion ein gutes Angebot machen können. Natürlich freue ich mich, wenn die Wahl auf Niederösterreich fällt. Wir empfinden das als gesunden Wettbewerb, der uns immer dazu animiert, ein gutes Service zu bieten. Die großen Konkurrenten befinden sich in den Nachbarstaaten.

Erklären Sie bitte kurz das System der Wirtschaftsparks, die ecoplus betreibt und managt.

Miernicki: Wir verfügen über 16 Wirtschaftsparks in ganz Niederösterreich, entweder in 100 Prozent Eigentum oder mittels Beteiligungen. Sie sind über das gesamte Bundesland verteilt, vom Waldviertel bis nach Wiener Neustadt, von Ennsdorf bis Bruck an der Leitha. Das sind rund 1.000 Hektar mit über 1.100 internationalen und österreichischen Unternehmen, bei denen mehr als 23.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Wirtschaftsparks arbeiten. Das ist gewidmetes und aufgeschlossenes Bauland für Industrie oder Betriebe. Es gibt gute Verkehrsanbindungen. Wir verkaufen diese Grundstücke, vergeben Baurechte, errichten Miethallen und betreiben mehr als 80 Mietobjekte mit mehr als 400 eingemieteten Unternehmen. Der größte Wirtschaftspark ist das Industriezentrum NÖ-Süd, direkt an der Südautobahn nach der SCS in Richtung Wiener Neustadt gelegen. Dort sorgen wir auch für das Facilitymanagement, Abwasserentsorgung, Schneeräumung, Energieversorgung und vieles mehr. Das sind Flächen für ansiedlungswillige oder erweiterungswillige Unternehmen.

Muss heute ein Wirtschaftsstandort mehr bieten als bloß die ‚grüne Wiese‘, nämlich diverse Incentives für Unternehmen?

Miernicki: Ich möchte hervorheben, dass wir viele Wirtschaftsparks haben und damit Unternehmen ansprechen können. Wir freuen uns genauso über jede Betriebsansiedelung, die nicht in unseren Wirtschaftsparks stattfindet. Bei der sprichwörtlichen ‚grünen Wiese‘ sind wir beim Thema Bodenverbrauch, das zu Recht in den vergangenen Jahren thematisiert wurde. Unverbaute Flächen werden immer mehr zu einem kostbaren Gut, unter anderem wegen der Sicherung des Grundwassers und nötiger Versickerungsflächen. Deshalb haben wir vor drei Jahren ein neues Programm zur ökologischen Standorterneuerung aufgesetzt.

Damit wollen wir alte Betriebsgebiete, die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen und in die Jahre gekommen sind und den Gemeinden gehören, auf den aktuellen Stand bringen. Das betrifft etwa die Grünraumgestaltung und Verkehrsanbindungen mit Radwegen. Wir stocken unser Parkhaus in Wiener Neudorf um zwei Etagen auf, anstatt eine Freifläche zu asphaltieren, was wesentlich einfacher und kostengünstiger wäre. Unsere Wirtschaftsparks verfügen zum großen Teil über LED-Beleuchtung. Das Thema Nachhaltigkeit steht auf unserer Agenda ganz oben.

In den vergangenen Jahren wurde der Forschungs- und Bildungsstandort Niederösterreich massiv erweitert. Inwieweit ist ecoplus darin involviert?

Miernicki: Wir haben in Niederösterreich drei Fachhochschulen mit mehreren Standorten und die Donau Universität im Bereich der tertiären Bildung. An den vier Standorten Wieselburg, Krems, Tulln und Wiener Neustadt gibt es sogenannte Technopole, bei denen wir Forschung, Bildung und Wirtschaft zusammenfassen und zusammenführen wollen. Damit kann auf kurzem Weg kommuniziert werden. Die vier Technopole haben jeweils einen inhaltlichen Schwerpunkt. In Krems ist das die Gesundheitstechnologie, in Tulln die biobasierten Technologien, in Wiener Neustadt Medizin- und Materialtechnologie und in Wieselburg Bioenergie und Lebensmitteltechnologie. Es ist ein wesentlicher Punkt, dass sich Niederösterreich vom Schwerindustrie- und Agrarland immer mehr zu einem wissensbasierten Land entwickelt hat. Das Technopol-Programm wurde auch in Brüssel ausgezeichnet.

Und dann gibt es noch die neuen Hightech-Plattformen …

Miernicki: Sie sind in unmittelbaren Kontext zu den Technopolen und zu den Clustern zu sehen, denn es hat sich gezeigt, dass Niederösterreich in drei Bereichen über ein außerordentliches Potenzial zur Weiterentwicklung verfügt, da bereits vieles vorhanden ist. Das sind Luft- und Raumfahrt mit dem Hauptstandort Wiener Neustadt in engster Kooperation mit dem dortigen Technopol. Das sind die Gesundheitstechnologie und das Thema Stoffkreislauf, die Bioökonomie.

Bei Niederösterreich denkt man eher an die Wachau und den Wein, als an Technologie und Forschung. Ist eine Imagekorrektur nötig?

Miernicki: Gott sei Dank denkt man an die Wachau und an den Wein! Aber wer rastet, der rostet, und Stillstand ist Rückschritt. Das ist ein Faktum in unserer schnelllebigen Zeit. Deshalb ist eines der drei Hauptthemen die Digitalisierung. Das ‚Haus der Digitalisierung‘ in Tulln, das 33 Millionen Euro kostet, befindet sich gerade im Bau.

Die Digitalisierung durchdringt alle Lebens-, Wirtschafts- und Forschungsbereiche. Das ist die Basis für eine Weiterentwicklung. Deshalb wollen wir mit dem Haus der Digitalisierung als Leuchtturmprojekt Niederösterreich als digitales Vorzeigeland präsentieren. Ein nächstes Hauptthema wird die Energiebeschaffung aus nachhaltigen Quellen sein. Mit der Plattform Bioökonomie sehen wir uns alternative Energieformen abseits von Wind und Photovoltaik an. Da geht es um Geothermie oder Biomethan. Wenn wir in den beiden Bereichen Digitalisierung und alternativen Energien weiterhin punkten können, glaube ich nicht, dass wir ein verzopftes Image haben.