Die Silicon Alps-Region produziert Chips für die Welt

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In den Bundesländern Kärnten und der Steiermark treibt der Tech-Cluster eine Weltmarktführerschaft bei Elektronik voran.

Nachhaltigkeit, Energie, (E-)Mobilität, Innovation und Technologie – in diesen Bereichen spielt der Silicon Alps Cluster in Kärnten und der Steiermark die erste Geige, wenn es um Networking auf höchster Tech-Ebene geht. Nicht ohne Grund stammen einige Weltmarktführer der Chip-Branche aus der Region. CEO Rober Gfrerer erklärt die Welten der Silicon Alps.

Wie funktioniert der öffentlich-private Cluster Silicon Alps?
Robert Gfrerer: Es funktionieren in der Steiermark, in unserem Fall auch Bundesländer-übergreifend, die Cluster vom Betriebsmodell her ähnlich. Wir sind als GmbH organisiert, die öffentliche und private Eigentümer hat. In unserem Fall sind es zwei öffentliche Eigentümer, die steirische Wirtschaftsförderung SFG mit 26 Prozent und der Kärntner Wirtschaftsförderungs Fonds KWF ebenfalls mit 26 Prozent. In Summe haben wir zwölf Eigentümer, wobei es sich bei den anderen um Industriepartner handelt. Da sind viele große Unternehmen dabei, aber bewusst auch einige kleine, also KMU. Im Endeffekt geht es in diesem Gremium nicht um Mehrheiten, sondern darum, dass man sich auf Strategien einigt, auf Vorgehensweisen. Im Grunde wird alles einstimmig beschlossen. Auf diesem Weg soll in unserem industriellen Netzwerk ein Interessensausgleich zwischen den Bedürfnissen der Industrie und den Gestaltungsanforderungen, die die Industrie an die Politik hat, hergestellt werden. Die beiden öffentlichen Shareholder sind als Förderinstitutionen natürlich in den Gestaltungsprozess eingebunden. Das braucht es auch, denn die Industrie fordert von der Politik passende Rahmenbedingungen ein. Mit einer kleinen Organisation wie dem Cluster möchte man eine flexible, agile Organisation haben, die rasch reagieren kann.

Das klingt alles sehr nach Lobbying …
Gfrerer: Unsere Tätigkeit ist ein großer Mix. Die Haupttätigkeit ist das Netzwerk – wir vermitteln die Partner untereinander, aber auch extern. Bei uns sind Institutionen Mitglieder, die aus dem Forschungsbereich kommen. Wir haben Großbetriebe dabei, und zwei Drittel unserer Mitglieder sind kleine und mittelständische Unternehmen. Unter den KMU befinden sich etliche Start-ups. Unser Kernbereich ist es, hier die Schnittstelle zu sein. Wenn Partner Technologien oder Forschungsleistungen suchen oder sich orientieren wollen, können sie bei uns anfragen. Wir sind auch Teil eines europäischen Netzwerks, der Silicon Europe Alliance, in der elf Cluster aus ganz Europa vertreten sind. Wir können also auch Vernetzungen in andere Länder bereitstellen. Im Anlassfall kontaktieren wir unsere europäischen Partner-Cluster, und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass sich dort ein passendes Partnerunternehmen findet. Das geht meist sehr rasch mit dem Austausch einiger Handynummern. Diese Vermittlungstätigkeiten sind unsere eigentliche Hauptaufgabe.

Das heißt, sie können politische Rahmenbedingungen genauso beeinflussen, wie etwa passende Forschungseinrichtungen für die Industrie oder Zulieferer zu finden?
Gfrerer: Wir helfen auch beim Zukauf von neuen Technologien, denn unsere Mitglieder können nicht immer alles selbst entwickeln. Wenn etwa eines unserer kleineren Unternehmen mit einem unserer ganz großen Partner in Kontakt treten möchte, finden wir meist rasch eine direkte Kontaktperson in dem betreffenden Konzern und stellen die Verbindung her. Ein weiteres Geschäftsfeld basiert auf Projekten, sowohl in der Entwicklung und Forschung, als auch für Applikationen. Wenn konsortiale Projekte aufgesetzt werden sollen, übernehmen wir die Koordination.

Wie sieht es mit der Unterstützung bei Förderungen aus?
Gfrerer: Wir wickeln sogenannte Cascade Funding-Programme ab. Es gibt auf europäischer Ebene sehr attraktive Förderprogramme, die für KMU sehr komplex sind. Im Alleingang wäre das vielen Unternehmen zu kompliziert und zu bürokratisch. In solchen Fällen stehen wir mit Cascade Funding-Programmen dazwischen und wickeln für unsere KMU das komplexe Prozedere mit Brüssel ab.

Aus wie vielen Partnern besteht das Network derzeit und wie sehr wächst es?
Gfrerer: Wie es immer im Wirtschaftsleben ist, kommen neue Partner hinzu, andere fallen weg. Unter dem Strich wachsen wir durchschnittlich um zehn Prozent pro Jahr. Allerdings wächst das Geschäft unserer Mitgliedsbetriebe viel stärker – im Jahr 2023 verzeichneten einige unserer Partnerbetriebe aus dem Chip-Bereich ein Wachstum von 30 Prozent. Im Vorjahr kam aus Brüssel der European Chips Act, mit dem die Europäische Union ein Programm aufgesetzt hat, damit sich in den kommenden zehn Jahren der Weltmarktanteil der europäischen Chip-Industrie verdoppelt.

Auf welche Entwicklungen sind Sie besonders stolz?
Gfrerer: Es gäbe auf der ganzen Welt keinen Supercharger ohne die Chips von unserer Industrie. Der gesamte Boom, der sich derzeit in der Elektromobilität abspielt, wäre ohne die Hochleistungselektronik unserer Partner aus der Region nicht möglich.

Wann wird in Kärnten die nächste große Chip-Fabrik gebaut?
Gfrerer: Die steht ja schon da, und es gibt noch immer laufend Baustellen. Bei Infineon wurde im Sommer eine weitere Halle fertiggestellt. Bei der AT&S in Leoben wird derzeit um eine halbe Milliarde Euro gebaut. Und auch bei zahlreichen anderen Partnern sind Investitionsprojekte am Laufen.

Wie ist es um Ihre Kooperation mit Forschungseinrichtungen und Universitäten bestellt?
Gfrerer: Die Beziehungen sind sehr intensiv. Wir sind der Cluster, der die meisten Forschungseinrichtungen als Partner hat, die auch zahlende Mitglieder sind. Dazu gehören beispielsweise die Technische Uni Graz, COMET-Zentren wie das Know Center, PCCL, MCL und das Virtuelle Fahrzeug, die Silicon Austria Labs – SAL und viele andere. Die Verflechtungen sind extrem intensiv, und so muss das auch sein. Unsere führenden Technologie-Betriebe weisen (zusammen) im Schnitt eine F&E-Quote von etwa zehn Prozent aus. Das funktioniert nur, wenn man auf den verschiedensten Ebenen Kooperationen mit Forschungseinrichtungen hat. Auf der nationalen Ebene liegt der F&E-Wert meist so um die drei bis vier Prozent. Einige unserer Partner haben auch Stiftungsprofessuren an Universitäten eingerichtet. Es braucht die Forschungsleistung, aber auch die Kompetenz der angewandten Forschung, damit neue Technologien in die Produktentwicklung gehen können. Schlussendlich braucht es die Umsetzungskompetenz, und von der haben wir jede Menge im Cluster.

Ist der Fokus auf Kärnten und die Steiermark eine Einschränkung oder ein Vorteil?
Gfrerer: Das Geschäft an sich ist natürlich global. Europa hat aber festgestellt, dass gewisse Kompetenzen in einem zu großen Ausmaß ausgelagert wurden, und es sehr riskant ist, wenn man sie nicht mehr im eigenen Land hat. Das versucht man durch den European Chips Act massiv zu ändern. Wenn man sich z.B. die Baustelle von AT&S in Leoben ansieht, dann wird in einem gewissen Produktionsbereich in Europa die Kapazität erhöht, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Es geht aber nicht darum, dass man das globale Geschäft nicht mehr betreibt. Das wäre absurd und man würde sich nur noch abschotten.
Bundesländer-übergreifend zu agieren, ist eine geniale Entwicklung. In diesen beiden Bundesländern sind mehr als 80 Prozent der österreichischen Unternehmen in der Elektronikbranche tätig. Also macht es auch Sinn, das als eine Region zu betrachten. Aber wir haben auch Partner in Wien, in Niederösterreich, in Salzburg und seit Kurzem auch in Kroatien. Als lokaler Cluster zieht man einen Radius von 300 Kilometern; alle Partner, die sich innerhalb dieses Radius befinden, kann man mit einem kleinen, agilen Team gut betreuen. Darüber hinaus ist eine virtuelle Betreuung möglich. Wenn es ums Netzwerken geht, sollte man sich allerdings schon physisch treffen.

Setzen Sie auch Künstliche Intelligenz ein?
Gfrerer: Wir sind der erste Cluster, der im Business-Development mit KI arbeitet. Wir haben hier bereits Lösungen implementiert, sehen aber, dass wir im Team noch große Lerneffekte vor uns haben.

Sie nennen einige ‚Areas of Excellence‘, in denen Sie tätig sind. Können Sie einige spannende Beispiele anführen?
Gfrerer: Power Electronics muss man auf jeden Fall herausgreifen. Dabei hat unsere Region einen weltweiten Marktanteil im Bereich der Leistungselektronik von 20 Prozent. Da geht es um die Themen Smart Grids, Photovoltaiksteuerungen und e-Ladestationen, über die man wirklich viel Strom leiten kann. E-Mobility treibt viele unsere Partner an, und es geht um Steuerungskomponenten von Windrädern. Die Region ist Nummer eins weltweit, wenn es um die Sicherheitschips in Reisepässen geht. Sie finden sich in 90 Prozent der Pässe, auch in jenen der USA. Unsere Region ist mit 55 Prozent Weltmarktanteil auch führend bei Lichtsensoren. Diese Komponenten sind in sehr vielen Produkten enthalten, doch das weiß kaum jemand. Im Bereich der Cyber Security wurde der neueste internationale Standard der Lightweight-Kryptografie, Ascon, von einem Professor und seinem Team an der TU Graz entwickelt. Zudem kommt der leistungsstärkste und kleinste duale Charger weltweit, die Tiny Power Box, aus der Region. Damit kann die Batterie eines E-Fahrzeugs sowohl aufgeladen, als auch als Stromspeicher für Anwendungen im Haus etwa genutzt werden.

Wie sieht es mit dem Fachkräftemangel aus?
Gfrerer: Das Thema zieht sich durch alle Branchen, und die Situation wird sich noch verschärfen, wenn die Generation der Babyboomer beginnt, in Pension zu gehen. Das betrifft verstärkt technische Berufe. Es bräuchte viele junge Menschen, die sich dazu entscheiden, einen solchen Beruf zu ergreifen. Wir selbst können hier nicht steuernd eingreifen. Was wir, als Cluster, gemeinsam mit unseren Partnern tun können, ist, dass wir an Konzepten arbeiten, um diesen Standort und diese Arbeitsplätze attraktiv zu promoten. Es macht auf jeden Fall mehr Sinn, wenn ein ganzes Netzwerk versucht, bei jungen Menschen für technische Berufe Werbung zu machen, als jede Firma im Alleingang.

Wie machen Sie jungen Menschen Technik-Jobs schmackhaft?
Gfrerer: Wenn man ihnen näherbringt, dass der Job sehr cool ist, und ihnen danach die Mountainbike-Strecken und die Skiabfahrten zeigt, ist das das Sahnehäubchen. Aber es kommt niemand nur wegen der schönen Landschaft und der schönen Berge, wenn es keine coolen Jobs gibt – und die gibt es. Natürlich erkundigen sich Menschen aus anderen Ländern, die hier arbeiten wollen, ob es bereits eine Community gibt. Sowohl in den großen Unternehmen in der Steiermark als auch in Kärnten gibt es Mitarbeiter aus etwa 70 Nationen. Es existiert also eine Community. Aber wir müssen noch an unserer Welcome-Kultur arbeiten, das Umfeld muss passen und familienfreundlich sein. Wenn jemand einen Spitzenjob in der Forschung haben möchte, dann kann er den bei uns haben. Alleine die Silicon Austria Labs haben hundert offene Stellen.

Sie arbeiten direkt mit der ESBS-Austria (Electronics and Software Based Systems) zusammen. Wie funktioniert das, was bringt das?
Gfrerer: Die ESBS ist eine Organisation, die die Interessen der Electronics- und Software Based Industrie vertritt. Hier gibt es eine enge Kooperation. Dort werden etwa Studien erstellt, die zeigen, wo Österreich überall Weltmarktführer ist.