„Eine IT-Organisation muss eine Vorreiterrolle einnehmen“

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Die Huemer Group ist einer der wichtigsten Anbieter von Data Centern, innovativen IT-Lösungen und IT-Consulting.

Der 14. Juli 2006 ist ein bedeutendes Datum im Leben von Walter Huemer – an jenem Tag wurde die Huemer iT-Solution gegründet. Im Jahr 2014 entstand die H3 Holding GmbH, die heute als Huemer Group GmbH bekannt ist. Das breite Spektrum an Produkten und Dienstleistungen fokussiert auf die Hauptbereiche Data Center & Infrastructure, Consulting & Projektmanagement und Intelligente Technologielösungen. Die Vision von Gründer Walter Huemer: „Mit unserer Leidenschaft für herausfordernde Aufgaben und innovative Technologien werden wir Österreichs Spitzenreiter in IT und Digitalisierung.“ Seit dem Sommer 2023 ist Huemer Präsident der ICT Austria, der Interessenvertretung der österreichischen IT-Branche.

Spätestens seit dem Ausbruch der Coronapandemie boomt die IT-Branche. Wie haben Sie diesen Turbo erlebt?
Walter Huemer: Tatsächlich haben wir eine signifikante Dynamik im IT-Bereich erlebt, welche stark auf den Wandel hin zur Heimarbeit zurückzuführen ist. Hier spielen diverse Komponenten eine Rolle – von der Hardware, über das gesamte Prozessmanagement, bis hin zur Mitarbeiterführung auf Unternehmensebene. Es etablierten sich völlig neue Arbeitsumgebungen und mit ihnen stiegen die Anforderungen an die gesamte Infrastruktur und IT-Abteilungen. Insbesondere IT-Organisationen, die über Jahre und Jahrzehnte gewachsen sind, sehen sich nun einer herausfordernden Situation gegenüber, in der sich Qualität und Anpassungsfähigkeit beweisen müssen.

Waren Sie auf einen Digitalisierungs-Hype vorbereitet?
Huemer: Ich leite nun seit 32 Jahren mein eigenes Unternehmen und begann als Vertriebspartner für US-Hersteller wie IBM, HP, Oracle und andere. In dieser Branche wird man schnell als wichtiger Akteur anerkannt, wenn man eine große Menge an Infrastruktur verkauft. Verkauft man in seinem Segment jedoch weniger, kann man ebenso schnell von anderen verdrängt werden. Vor etwa einem Jahrzehnt traf ich die Entscheidung, nicht nur als Vertriebsarm der amerikanischen Unternehmen zu agieren, sondern selbst Mehrwert im Land Österreich zu schaffen und kontinuierliche Umsätze zu generieren. Dies führte zur Einrichtung von zwei Data Center- Standorten für Dienstleistungen, zur Gründung einer eigenen Abteilung, die ausschließlich auf Consulting und Beratungsleistungen spezialisiert ist, sowie zur Einleitung von Softwareentwicklungen in unserem Unternehmen.
Mit dem Ausbruch der Coronapandemie wurde das gesamte Projektgeschäft abrupt gestoppt, während das Infrastrukturgeschäft florierte. Wir waren gut positioniert, denn obwohl wir Unternehmen beraten konnten, wie sie vorgehen sollten, gab es andererseits Kontaktbeschränkungen. Es war zweifellos eine herausfordernde Zeit, aber wir waren vorbereitet. Als IT-Organisation ist es unsere Aufgabe, die Vorreiterrolle zu übernehmen, selbst wenn das bedeutet, dass wir gelegentlich Geld investieren, um Lösungen zu implementieren, die sich später als überflüssig erweisen.

Was bleibt nach der Aufregung rund um die Digitalisierung auf Dauer?

Huemer: Ich habe mich in den vergangenen Jahren stark dafür eingesetzt, die Ausbildungsprogramme mit Schwerpunkt auf Programmierung zu intensivieren. Es besteht ein wachsender Bedarf an digitaler Kompetenz in der Branche und darüber hinaus. Mit dem Aufkommen von ChatGPT im November 2022 hat sich die digitale Landschaft erheblich weiterentwickelt, mit nunmehr über 1.700 KI-Anwendungen. Dies ist ein Bereich, mit dem ich mich intensiv beschäftige, obwohl viele unserer Kunden das Potenzial dieser Entwicklung in ihren eigenen Organisationen noch nicht vollständig erfasst haben.
Die Entwicklung zeigt jedoch auch, dass sich der Fokus der Ausbildung verschieben muss. Während die Nachfrage nach Programmierern gegenwärtig hoch ist, prognostiziere ich, dass wir in einigen Jahren weniger Entwickler, dafür jedoch vermehrt Software- und Prozessarchitekten benötigen werden. Diese Verlagerung wird durch die Automatisierung von Coding-Aufgaben und die steigende Komplexität digitaler Prozesse getrieben. Wer nicht mit den Veränderungen Schritt hält, läuft Gefahr, Fehlentscheidungen zu treffen. Die Berufsbilder wandeln sich, die Produktivität nimmt rasant zu.

Eines Ihrer Kerngeschäfte sind Data Center …
Huemer: Wir haben zwei geografisch getrennte Standorte in Wien, wobei jeder Standort über zwei separate Brandschutzabschnitte verfügt. Einige unserer Kunden bevorzugen es, ihre Daten redundant an zwei verschiedenen Standorten zu speichern, die mindestens zehn Kilometer voneinander entfernt liegen. In Österreich ist es üblich, dass alle Datenzentren entweder Räumlichkeiten bei NTT Global Data Centers, ehemals als e-shelter bekannt, oder bei Interxion mieten. Wir haben uns dafür entschieden, eigene Räumlichkeiten bei diesen Anbietern zu mieten.

Wie wichtig ist es, dass alle Ihre Speicher und Server in Österreich stehen?
Huemer: Bei der Etablierung des Huemer Data Center legten wir besonderen Wert darauf, dass wir all unsere Daten lokal, hier in Österreich, speichern. Unser Ziel ist es, ein Cloud-Provider zu sein, der österreichischen Kunden eine sichere Datenlagerung im Inland garantiert. Ich prognostiziere, dass in den kommenden Jahren die Nachfrage nach inländischen Datenhaltungs- und Cloud Services signifikant steigen wird, insbesondere als Alternative zu den amerikanischen Anbietern. Dennoch sind wir offen für eine Hybridlösung, um den variierenden Anforderungen unserer Kunden gerecht zu werden, besonders wenn eine solche Leistung explizit von unseren Kunden erfragt wird. Aus meiner Sicht wird die Hybrid-Cloud die Zukunft der Datenspeicherung und -verarbeitung prägen.

Stammen die Lösungen Ihrer IT-Infrastruktur aus Basismodellen von der Stange, die Sie je nach Kunde adaptieren?
Huemer: Unser Hauptziel ist es, unseren Kunden eine individuelle Herangehensweise zu bieten. Wenn ein Kunde einen Fileserver oder Datenbank-Server benötigt, stellen wir natürlich ein Standardprodukt zur Verfügung. Unsere wahre Expertise jedoch offenbart sich in der Anpassung und Individualisierung der Dienstleistungen, die speziell auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten sind. Mit der Erfahrung aus mehr als 30 Jahren in den Bereichen Projektmanagement, IT und Beratung beginnen wir allerdings einen Schritt weiter im Voraus. Unsere Fähigkeit, entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu denken – von der ersten Idee über die Analyse spezifischer Problemstellungen bis hin zum Applikationsdesign und der Integration in die bestehenden Strukturen des Kunden – ist das, was uns auszeichnet. So können wir am Ende des Tages ein maßgeschneidertes Produkt entwickeln und uns zusätzlich um den Betrieb kümmern.

Was sind die wichtigsten Themen, die im Rahmen von IT-Consulting an Sie herangetragen werden?
Huemer: Mit einer zwei Jahrzehnte langen Erfahrung im Vertrieb hatte ich die Gelegenheit, mit einer Vielzahl von IT-Leitern zu interagieren. Damals stellte ich fest, dass viele von ihnen der Meinung waren, ihre Abteilungen und deren Herausforderungen vollständig im Griff zu haben. Diese Beobachtung motivierte mich dazu, meine Herangehensweise zu ändern. Ich entschied, meine Gespräche auf Vorstände und Geschäftsführer zu fokussieren, um ein tieferes Verständnis für die Anforderungen auf dieser Ebene zu erlangen. Anstatt Technologien und Services zu verkaufen, konzentriere ich mich darauf, die IT-Sprache in eine verständliche Form für das obere Management zu übersetzen und zu erörtern, wie zufrieden sie mit ihren derzeitigen ITStrukturen sind. Diese Diskussionen führen häufig zu Aufträgen, um ihnen bei der Modernisierung ihrer IT-Abteilungen zu helfen und diese in zeitgemäße Service-Anbieter zu transformieren. Ein Hauptaugenmerk unserer Arbeit bei der Huemer Group liegt also darauf, CEOs dabei zu unterstützen, ihre IT-Abteilungen auf den neuesten Stand zu bringen und in eine proaktive, zukunftsorientierte Position zu bringen. Wir stellen sicher, dass jede Woche eine Anfrage dieser Art bei uns eingeht, was unser stetiges Engagement und unseren Fokus auf kontinuierliche Verbesserung und Innovation unterstreicht.

Sind Sie mit der Anzahl der Bewerber und dem Ausbildungsstand beim IT-Nachwuchs zufrieden?
Huemer: Das ist ein komplexes Thema. Der Markt hat sich problematisch entwickelt, besonders bezüglich der hohen Gehälter für ITFachkräfte, die der öffentliche Sektor kaum tragen kann. Diese Lohnstruktur macht es schwer, mit den Stundensätzen zu arbeiten, die unsere Kunden bereit sind zu bezahlen. Wir haben in Österreich rund 200.000 IT-Mitarbeiter, aber es fehlen etwa 20.000. Es besteht ein klarer Bedarf an qualifizierten Personen, die bereit sind, neue Technologien zu nutzen. Leider wünschen sich viele IT-interessierte Bewerber einen 9-bis-17-Uhr- Job mit hohem Gehalt, ohne Kundengespräche oder Problemlösungen, was nicht der Realität entspricht. Ja, wir haben einen Fachkräftemangel und wir sollten uns öffnen, um internationale Experten einzubinden.

Wie ist der Wirtschaftsstandort Österreich in puncto IT aufgestellt?
Huemer: Einer der wesentlichen Faktoren ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Klimawandel, die wir im Alltag immer mehr verspüren. Für IT-Organisationen und Betreiber von Rechenzentren ist es besonders wichtig, diesen Aspekt in den Vordergrund zu rücken. Dieser Wandel ist bereits in Gang, erfordert jedoch eine intensivere Bemühung. Dazu gehört auch die effiziente Nutzung der Abwärme, die durch Server erzeugt wird, sowie ein verantwortungsbewusster Umgang mit Energie allgemein. Vor den steigenden Energiekosten seit Anfang 2022 waren dies eher nachrangige Themen. Österreich besitzt grundsätzlich eine sehr gute Basis als IT-Standort, doch wir könnten unser Potenzial noch besser nutzen, um uns auf internationaler Ebene zu positionieren. Hierbei hat Deutschland in einigen Aspekten Vorsprung, allerdings sind wir in vielen Bereichen agiler, moderner und besser organisiert. In Bezug auf die Qualität der IT-Ausbildung und Verfügbarkeit von Fachkräften liegt Österreich im guten Mittelfeld, jedoch mit klarer Aufwärtstendenz. Unsere Regierung zeigt zunehmendes Interesse daran, Innovationen zu fördern und ausländische Investitionen anzuziehen, was sicherlich helfen wird, unseren IT-Sektor zu stärken. Bezüglich Künstlicher Intelligenz möchte ich anmerken, dass es eine gesunde Balance zwischen Regulierung und Förderung von Innovationen geben muss. Bevor wir KI unseren Schülern, Arbeitnehmern und Bürgern breit zugänglich machen und sie sich damit auseinandersetzen können, scheint es voreilig, schon Regulierungen einzuführen. Meiner Meinung nach sollte eine offene Fehlerkultur ermöglicht werden – wir alle müssen die Möglichkeit haben, Fehler zu machen und daraus zu lernen, um uns weiterzuentwickeln und unser volles Potenzial auszuschöpfen.