Mit „Window to the World“ zum Tourismusgiganten

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Von „Wetterkameras“ im TV bis zu Marketing, Werbung und Logistik – Feratel eroberte mit völlig neuen Konzepten den Markt.

Wetterkameras, die Live-Bilder aus Tourismusregionen in die Wohnzimmer der Österreicher brachten – das war im Jahr 1987 der Start des Tiroler Unternehmens Feratel. Im Laufe der Jahre kamen – auch durch einfachere und modernere Technik – Hunderte Wettercams hinzu, später folgten diverse Tochtergesellschaften, die von Werbeflächen in Tourismusregionen, Marketing-Tools bis zur Logistik – wie Buchungs- und Gästemeldesysteme – viele Bereiche abdeckten. Heute hat Feratel eine einzigartige Marktposition. Mastermind und CEO Markus Schröcksnadel lässt hinter die Kulissen des Tourismusgiganten blicken.

Lassen Sie uns zuerst über ‚Window to the World‘, die Feratel- Kameras, sprechen. Wie viele gibt es derzeit und ist ein weiterer internationaler Ausbau in neue Länder angedacht?
Markus Schröcksnadel: Derzeit haben wir 1.038 Kameras in 14 Ländern an 551 Orten. Es gibt weniger Orte als Kameras, da es unter Umständen an manchen Orten zwei oder drei Kameras gibt. Wir haben sehr weit entfernte Kameras wie etwa in Grönland, die ich selbst gerne anschaue – es ist immer ganz spannend, wie lange sich dort das Packeis hält. Unser Schwerpunkt ist im D-A-CH-Raum, aber auch Italien, Tschechien, Slowakei, ein bisschen Spanien und Türkei. Das liegt daran, dass unsere Herkunft der Wintertourismus ist und wir damit begonnen haben. Die Kameras sind im Sommer wie im Winter sehr beliebt. Das gilt auch für die Städtedestinationen wie die Kamera am Hotel Adlon in Berlin auf das Brandenburger Tor oder die Kamera neben dem Vatikan mit Blick auf den Petersplatz; die Kamera neben dem Vatikan hat die meisten Zugriffe überhaupt und ist total beliebt. Die Bilder werden nicht nur über das Fernsehen verbreitet. Das war der klassische Weg, denn als wir begonnen haben, gab es nichts anderes und es war unvorstellbar, über eine Telefonleitung live Bewegtbilder auf ein Telefon zu bringen. Mittlerweile ist sowohl der Online- als auch der mobile Bereich sehr stark, und wir hatten im Februar 2023 mit mehr als einer Milliarde die meisten Zugriffe auf das Kameranetzwerk, die wir jemals verzeichnen konnten. Hinzu kommen noch die Zuseher im Fernsehen, wo wir sehr stark im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertreten sind. Aber auch private Stationen übernehmen diese Bilder. Das ist seit 1987 ein Erfolgsrezept und wird immer an die technischen Möglichkeiten angepasst. Das Geschäft wächst und ist bei Usern äußerst beliebt.

Sind Streaming-Plattformen oder private Kameras, die heute jeder mit dem Handy streamen kann, eine Konkurrenz?
Schröcksnadel: Im Gegenteil, für uns ist das sogar besser, da jeder gewohnt ist, Bewegtbilder auch am Handy oder Smart TV anzusehen. Das ist ganz normal geworden. Früher war das eine Sensation, denn ‚Window to the World‘ war das Schaufenster einer Tourismusregion in die Welt in Echtzeit. Das war eigentlich das erste virtuelle Schaufenster und hat sich erweitert. Unsere Kameras haben ganz spezielle Positionen an ganz bestimmten Points of Interest. Die User-generated Fotos haben einen ganz anderen Hintergrund. Deshalb ist das keine Konkurrenz, sondern eine Befruchtung.

Wer wählt die Kamerastandorte aus, wer stellt die Cams auf und serviciert sie?
Schröcksnadel: Wartungsintensiv waren die Kameras früher, das waren große Geräte, die mit Richtfunk verbunden worden sind und wogen 60 Kilo mit ihren Schwenkköpfen. Es waren eine Art Industriekletterer, die sie montiert und gewartet haben. Heute dagegen sind die Kameras relativ klein und leicht und können vom Betreiber in der Regel selbst montiert werden. Sie sind sehr wartungsarm. Wenn heute gewartet wird, tauscht man eher die ganze Kamera aus, das ist einfacher. Die Verbindung funktioniert entweder über WLAN oder direkt über ein Glasfaserkabel. Bei der Wahl der Standorte werden beide Seiten aktiv, sowohl die Points of Interest oder wir, wenn wir meinen, der Standort ist interessant. Der Business-Case ist so, dass wir eine technische Dienstleistung erbringen, nämlich das Kameranetzwerk anbieten und die Verteilung über die unterschiedlichsten Kanäle gewährleisten. Eine Reichweitengarantie gibt es dabei aber nicht, da es sich um keine Inserate handelt, sondern jeder, der die Bilder verbreitet, ist völlig frei in der Nutzung. Unsere Medienpartner wollen diese Bilder nutzen und verlangen nach immer mehr – offensichtlich bringen diese Bilder den Medien zusätzlichen Traffic. Ein Wetterportal lebt davon, dass man nicht nur eine virtuelle Karte sieht, sondern auch ein Live-Bild. Und das ist das Interessante an dem Geschäftsmodell.

Wer bezahlt das alles?
Schröcksnadel: Das Netzwerk bezahlt der, der die Kamera aufstellt. Unser Kunde kauft bei uns ein Plug and Play-System und bezahlt eine jährliche Netzwerk-Fee an uns für die Verbreitung. Es gibt auch Reports von uns, wie die jeweiligen Bilder genutzt wurden. Die Ausstrahlung bezahlt das Medienunternehmen insofern, dass es eine Technik bereitstellen muss, um die Bilder auszustrahlen.

Ihre Live-Kameras müssten doch Anziehungspunkte für all jene sein, die sich gerne vor einer Kamera produzieren. Das sieht man aber nur selten.
Schröcksnadel: Das war früher so, dass man einen Nudisten gesehen hat, der durch das Bild läuft, oder Menschen, die Transparente hochhalten. Wir hatten in der Anfangszeit einen Hacker, der im tschechischen Fernsehen unser Bild kopiert hat und bei einem Schwenk entstand ein Atompilz. Da gab es eine Riesenaufregung.

Sie verknüpfen die Live-Bilder mit redaktionellen Informationen und Links zu Buchungsmöglichkeiten. Wie anspruchsvoll ist die Verknüpfung und Vernetzung bzw. nutzen Sie dafür KI?
Schröcksnadel: Das Redaktionssystem ist auf menschlicher Handarbeit basierend. KI verwenden wir schon und wir haben auch eine Beteiligung an der Firma Onlim, die sich ausschließlich mit KI beschäftigt. Es gibt diverse Projekte mit Chatbots, die bereits laufen.
Die Thematik mit Bettenverfügbarkeit oder Buchungsmöglichkeiten kommt aus unserem zweiten Geschäftsfeld, mit dem wir Buchungs-, Reservierungs- und CRM-Systeme für Tourismusregionen liefern. Das ist ein separates, sehr mächtiges System, über das sehr viele Informationen laufen. Natürlich wird das in Zukunft noch verstärkt durch Algorithmen gesteuert, je komplexer die Systeme werden. Es ist immer die Frage, wie sehr man das auf die Spitze treibt, wir machen hier ja keinen ChatGPT und schreiben Aufsätze.

Mit Ihrer sitour-Gesellschaft bieten Sie ‚analoge und digitale Informations-, Sicherheits- und Orientierungssysteme für Skigebiete sowie die Vermarktung unterschiedlichster Werbeflächen und Werbeformen‘ an. Ist das ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell, sollte es mit dem Wintertourismus bergab gehen?
Schröcksnadel: Im vergangenen Winter wurde die Krise aufgrund der wirklich prekären Schneelage im Jänner ausgerufen. Im Sommer wurde die Krise des Mittelmeertourismus ausgerufen, da alles niederbrennt und es viel zu heiß ist. Wintertourismus und den Mittelmeertourismus wird es in absehbarer Zeit natürlich geben. Es kann sein, dass er sich regional verschiebt, aber auch der Winter 2022/23 war ein durchaus erfolgreicher Winter, trotz der schlechten Schneelage. Der Markt ist relativ stabil, die Preise ebenfalls. Out-of- Home ist eine Werbeform, die in einer entspannten Atmosphäre angeboten wird und nicht in einer U-Bahn-Station, wo man im Alltag unterwegs ist. Dort ist man sicher nicht so positiv aufnahmebereit wie in einer angenehmen, entspannten Urlaubsatmosphäre. Damit können wir sehr stark punkten.

Sprechen wir hier ausschließlich über digitale Werbemittel?
Schröcksnadel: Die meisten Plakate sind analoge Plakate, von denen ich auch sehr viel halte, eben weil die Atmosphäre entspannt ist. Man sitzt in einem Gasthaus, steht am Lift an oder sitzt am Sessellift, da wäre ein dauerndes Blinken im Hintergrund gar nicht so gut.

Andererseits bietet Feratel Marketingkonzepte für Tourismusbetriebe als Komplettlösung an; dazu gehören auch Systeme für das Gästemeldewesen. Sind alle Elemente wie Live-Cams oder Buchungssystem wie ein Baukasten zusammenstellbar?
Schröcksnadel: In der Regel haben viele Destinationen diese Bausteine von uns, aber sie haben auch eigene, große Marketingabteilungen, die dann diese Bausteine nutzen. Wir haben eine Tochterfirma, pixelpoint, die tatsächlich Marketingkonzepte im digitalen Bereich erstellt. Wir selbst liefern keine Marketingkonzepte, sondern die Bausteine dafür. Es gibt Orte, die Kamerabilder mit Informationen aus dem Skigebiet, Points of Interest, Buchungsmöglichkeit von Hotel und Skipass in einem und vieles mehr sehr intelligent nutzen. Das ist unser USP. Auch das gesamte Gästemeldewesen läuft in der Regel über unsere Technik, ebenso Gästekartensysteme wie die Kärnten Card oder die Niederösterreich Card. Das alles kann natürlich vernetzt werden.

Das klingt, als ob in den meisten Tourismusregionen bereits Feratel steckt …
Schröcksnadel: Ja, das würde ich schon so sagen. Es gibt aber durchaus einen lebhaften Mitbewerb und Wettbewerb.

Wo geht die Reise für Feratel in den kommenden Jahren hin? Wird es neue Märkte geben?
Schröcksnadel: Unser Wachstum geht hauptsächlich hin ins Ausland. Wir wollen in den großen Tourismusmärkten Frankreich und Italien stärker werden, möchten aber auch in Slowenien und Kroatien erfolgreich sein. Das ist natürlich sehr schwierig, da es eine andere Art von Tourismus ist, es gibt andere Player und andere Normen. Letztendlich sind die Tourismusströme und die Wünsche der Gäste die gleichen. Deshalb müsste unser System ganz gut passen. Dort, wo wir bereits sind, wollen wir unsere Marktposition behalten, bestenfalls vergrößern und eine noch größere Dichte an Kunden bekommen.

Wie offen ist man im Ausland gegenüber einem neuen Player wie Feratel?
Schröcksnadel: Es gibt Märkte mit Systemen, die in manchen Punkten vergleichbar sind. Dort ist man in einem beinharten Wettbewerb und muss sich beweisen. Es gibt auch Länder, in denen es noch keine Infrastruktur gibt und wo man Basisarbeit leistet, damit diese Systeme wichtig sind, um einen professionellen, digitalisierten Tourismus anbieten zu können.

Können Sie einen Tipp vom Top-Experten geben – wann ist die beste Zeit, um einen Winterurlaub zu buchen?
Schröcksnadel: Ich kann das im D-A-CH-Raum beurteilen, da würde ich meinen, dass derzeit früh zu buchen günstiger ist, da es eine gute Nachfrage gibt. Im Gegensatz zu anderen Konsumgütern scheint der Urlaub ungebrochen nachgefragt zu sein, und die Menschen sparen lieber bei den Nebenausgaben. Viele Orte bieten auch dynamische Preise an und dort sind die Preise bei frühem Buchen zumeist deutlich günstiger. Hier sprechen wir von 20 bis 30 Prozent. Das hat sich in den vergangenen vier fünf Jahren verändert.

Eine persönliche Frage: Wie ist es, in die Fußstapfen eines legendären Vaters zu treten, der nicht nur in Österreich sehr prominent ist?
Schröcksnadel: Im Sport wäre es ein Nachteil. Mein Sohn ist bis in den Europacup Rennen gefahren, und es war immer ein Problem, wenn er am Start gestanden ist. Da hieß es: Jetzt kommt der Enkel vom Präsidenten. Das ist für die Performance oft eher hemmend. Für mich persönlich war es kein Problem, weil das getrennt war. Mein Vater war im ÖSV, und ich habe mein Geschäft betrieben und darauf geschaut, dass ich nicht so wahnsinnig oft in der Öffentlichkeit erscheine.