Von Vietnam bis Florida: Seilbahnen aus Vorarlberg

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In Wolfurt entstehen die Transportlösungen der Zukunft, denn immer öfter erobern Seilbahnen nach den Bergen nun auch den urbanen Raum.

Mehr als 3.100 Mitarbeiter in 50 Ländern der Welt planen, entwickeln, konstruieren, fertigen und bauen die unterschiedlichsten Seilbahnen. Bisher finden sich die Transportlösungen aus Österreich, sei es im Personen- oder Materialtransport, in etwa 96 Staaten. Alexander Klimmer ist Gesamtvertriebsleiter der Doppelmayr Gruppe, des Seilbahn-Giganten, dessen Geschichte 1893 mit der Gründung durch Konrad Doppelmayr begann.

Sie haben in 130 Jahren Firmengeschichte mehr als 15.400 Anlagen weltweit errichtet und sind Weltmarktführer. Was macht Ihre Transportsysteme so begehrt und einzigartig?
Alexander Klimmer: Die lange Geschichte und Erfahrung, in Kombination mit Pioniergeist und Innovationskraft, sind die Grundlage für den weltweiten Erfolg von Doppelmayr-Seilbahnen. Zudem sind die partnerschaftlichen Kundenbeziehungen sehr wichtig. Da Seilbahnen sehr individuelle Projekte sind, entstehen sie in sehr enger Zusammenarbeit mit den Kunden. Sie werden gezielt auf die Anforderungen der Kunden angepasst, sodass die Fahrgäste den größten Nutzen, den höchsten Komfort und das beste Seilbahnerlebnis bekommen.

Mit der Anlage in Vietnam, die zwei Inseln verbindet, hält Doppelmayr mit 7.900 Metern den Weltrekord für die längste Seilbahn der Welt. War das eine besondere Herausforderung und gibt es eine maximale, machbare Länge?
Klimmer: Jede Seilbahn ist eine besondere Herausforderung. Anlagen mit Weltrekorden sind das natürlich auch. Zum einen ist der Einsatzort auf den vietnamesischen Inseln sehr außergewöhnlich und bedarf einer sehr gut abgestimmten Koordination und Logistik bei der Montage. Bisher ist das die längste Anlage, die wir in einer Sektion umgesetzt haben. Die Machbarkeit einer solchen Anlage beeinflusst unter anderem die Geländetopografie, aber auch der Nutzen. Da Seilbahnen in ihrer Fahrgeschwindigkeit eingeschränkt sind, bedeutet eine lange Strecke auch eine entsprechende Fahrzeit. Doppelmayr treibt aktiv Innovation voran – beispielhaft dafür sind die kürzlich vorgestellte TRI-Line sowie die Einseilumlaufbahn für 20 Personen mit einer entsprechenden neuen Kabine. Bei beiden Systemen wird eine noch nie dagewesene Förderleistung von 8.000 Personen pro Stunde und Richtung möglich. Das bedeutet, dass die Grenzen der Seilbahntechnik durch technologischen Fortschritt auch kontinuierlich verschoben werden.

Wie sehr haben sich Seilbahnen im Laufe der Jahrzehnte verändert – vom reinen Transportmittel zur Luxuskabine?
Klimmer: Die Innovationen bei Seilbahnen haben in den meisten Fällen Sicherheit, Leistung und Komfort als treibende Kräfte. Letzterer bezieht sich zum einen auf den Komfort der Seilbahnmitarbeiter, die täglich an der Seilbahn arbeiten sowie Wartungen durchführen. Das soll so komfortabel und einfach wie möglich sein. So entwickeln wir auch unsere Bauteile weiter. Die andere Komfortgröße bezieht sich auf die Fahrgäste – sie sollen es während der Fahrt so bequem wie möglich haben. Genügend Platz, eine tolle Aussicht, Unterhaltung während der Fahrt, barrierefreie Einstiege, ergonomische Sitze, Beheizung, Klimatisierung, WLAN und noch viel mehr. Seilbahnen haben sich im Laufe der Jahrzehnte also durchaus verändert, nämlich zum Positiven weiterentwickelt.

Im Zuge der Energieverteuerung hörte man immer wieder, dass z.B. die Sitzheizungen ausgeschaltet werden. Wird die Seilbahn der Zukunft energiesparender sein?
Klimmer: Die Seilbahn ist eine sehr nachhaltige Mobilitätslösung. Es gibt, wie überall, auch bei Seilbahnanlagen Einsparpotenziale, das erwähnte Abschalten der Sitzheizung ist eine davon.

Wie sehr spielt Nachhaltigkeit bei Doppelmayr eine Rolle?
Klimmer: Sowohl bei der Erzeugung der Komponenten wie Gondeln oder Masten, als auch beim Bau. Nachhaltigkeit spielt selbstverständlich eine große Rolle, sowohl für uns als Unternehmen, als auch als Partner für unsere Kunden, die in ihren Regionen sehr auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen setzen.

Sind Ihre Carrier-Systeme für Mountainbikes ein Weg, um das Geschäft in die Sommermonate zu verlagern?
Klimmer: Die Lösungen für den Transport von Fahrrädern, Mountaincarts, etc. dienen dazu, dass unsere Kunden ihre Seilbahnen auch in den Sommermonaten wirtschaftlich betreiben können. Unsere Kunden schaffen dafür attraktive Angebote, und wir als Lösungsanbieter haben die passenden Produkte dafür, diese Entwicklung wirtschaftlich und nachhaltig zu unterstützen. Deshalb gibt es für sämtliche Seilbahnsysteme, ob Sesselbahn, Kabinenbahn oder Schlepplift, eine passende Lösung.

Wie haben Digitalisierung und Vernetzung Ihre Seilbahnsysteme verändert und wo ist der Einsatz von KI möglich?
Klimmer: Bei Doppelmayr nutzen wir KI in verschiedenen Bereichen. Auf der Produktebene ist unsere autonome Seilbahn, AURO (Autonomous Ropeway Operation), ein gutes und aktuelles Beispiel. Wir haben den autonomen Betrieb bei Kabinenbahnen eingeführt, ein Beispiel ist die Valisera Bahn in St. Gallenkirch. Inzwischen ist der autonome Betrieb auch für Sesselbahnen möglich. Hier kommt insbesondere die intelligente Bilderkennung im Ausstiegsbereich zum Einsatz. Auf der Service-Ebene nutzen wir verstärkt die Möglichkeiten der Digitalisierung und KI im Bereich der Condition Based Maintenance (CBM). In diesem Kontext nutzen wir Machine Learning-Algorithmen, um Korrelationen zwischen Betriebsdaten von Seilbahnkomponenten und weiteren Daten wie Wetterdaten, etc. zu finden. Das ermöglicht es unseren Kunden, sehr zielgerichtet Wartungstätigkeiten vorherzusehen und effizient zu planen. Diese Funktionen fließen in unsere Resort Management-Plattform clair ein, die sogenannte Smart Maintenance ist eine Applikation in diesem System.
Und auch in unseren Prozessen halten KI-Funktionen Einzug, z.B. für automatisierte Übersetzungen, kombiniert mit unserem ,Seilbahnwörterbuch‘. Wir sind überzeugt, dass wir im digitalen Bereich noch viele spannende Funktionen und Möglichkeiten entwickeln werden, die unsere Kunden für einen sicheren und effizienten Seilbahnbetrieb nutzen können.

Was sind die Herausforderungen beim Bau von urbanen Seilbahnen wie in Mexico City?
Klimmer: Die Vorteile von Seilbahnen in der Stadt kommen gerade beim Bau imposant zum Vorschein. Kurze Bauzeiten, ein minimaler Fußabdruck am Boden im Falle von Luftseilbahnen und direkte Verbindungen auf einer neuen Ebene sind nur ein paar Beispiele. Die Koordination der individuellen Baufelder ist ein wichtiger Punkt sowie auch die Logistik in der Stadt, sodass die bestehende Infrastruktur während des Baus nicht beeinträchtigt wird. Oftmals finden Arbeiten daher in der Nacht statt.

Wie sehen Sie die Zukunft von Seilbahnen im urbanen Umfeld, wie sie immer wieder in Wien diskutiert und überlegt werden, wo Sie ja auch beteiligt sind?
Klimmer: Wir sehen sehr großes Potenzial für die Seilbahn in der Stadt; das bestätigen zahlreiche erfolgreiche Projekte weltweit bereits eindrücklich. Auch in Europa sind wir überzeugt, dass die Seilbahn Einzug als öffentliches Verkehrsmittel halten wird, da sie eine perfekte Ergänzung des bestehenden Infrastrukturnetzes ist und dort Lücken schließen kann, wo es noch verkehrliche Probleme im ÖPNV gibt. Ein Beispiel ist unser Projekt im Großraum Paris, das 2025 den Betrieb aufnehmen wird. Beim Projekt in Wien handelt es sich um eine private Initiative, die von unserem Mitbewerber aus Italien mitentwickelt wird.

Welchen Stellenwert haben Materialseilbahnen und können sie bei Verkehrskonzepten in Zukunft eine größere Rolle spielen?
Klimmer: Doppelmayr hat zum einen Produktlösungen, die ausschließlich für den Materialtransport zum Einsatz kommen. Ein Beispiel ist der RopeCon, der Schütt- und Stückgut aller Art befördert. Diese Lösung kommt zum Beispiel im Bergbau zum Einsatz, aber auch bei der Renaturierung. Im urbanen Kontext ist der kombinierte Transport von Personen und Gütern eine interessante Aufgabe. Mit dem ‚Eiger Express‘ in Grindelwald haben wir so eine Anlage bereits umgesetzt – vollautomatisch mit moderner Intralogistik- Lösung und neu entwickeltem Verladeroboter.

Ein besonderes Projekt ist die Nachbildung des ‚Hogwarts Express‘ aus ‚Harry Potter‘ für das Universal Orlando Resort, wobei in der Dampflok eine Standseilbahn steckt.
Klimmer: Der Hogwarts-Express ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Doppelmayr Gruppe Kundenwünsche umsetzt. Es war die Aufgabe, eine 1:1-Nachbildung des Hogwarts Express aus den ‚Harry Potter‘-Filmen zu schaffen, mit bewährter Standseilbahntechnologie und einzigartigem Wagendesign. Das Ergebnis spricht für sich.

Was war bisher das komplizierteste oder spannendste Projekt?
Klimmer: Jedes Projekt ist spannend, weil jedes seine eigene Geschichte hat. Und mit jedem Projekt, das man betreut oder selbst besucht hat, verbindet man eine eigene Geschichte. Dass jede Anlage einzigartig ist, ist das Schöne an unsere Branche.